wortwechsel
: Arme Bauern, arme Kühe, armes Land!

Die Hitzewelle macht alle mürbe, auch die Kartoffeln, und die Kühe schwitzen wie wir. Wind bringen Hashtags: #MeTwo nur Trittbrettfahrer von #MeToo? Und #MeNot in China

Hilfe in heißen Zeiten: die Kuhdusche Foto: dpa

„Staat soll Teil der Beiträge tragen“, taz vom 1. 8. 18

Nicht zögern, zahlen!

Die Hitze und die damit verbundene Dürre bringt viele Bauern und Landwirte in größte existenzielle Nöte. Der Bauernverband fordert eine Milliarde Soforthilfe für die Landwirte von der Bundesregierung. Die Ministerin für Landwirtschaft, Frau Klöckner, erklärt der erstaunten Öffentlichkeit, dass eine Bundeshilfe doch aus Steuermitteln käme und da doch genau geschaut und geprüft und abgewartet werden muss. Liebe Frau Ministerin, Sie zögern, den Landwirten eine Milliarde Euro Unterstützung zu gewähren?

Der Bund hat im ersten Halbjahr 2018 mehr als zehn Milliarden Euro Steuern mehr eingenommen als geplant. Wo bleibt Ihre Zuständigkeit und Verantwortung, wenn die Landwirte, für deren Existenzbedingungen Sie mit verantwortlich sind, keine Ernten einfahren können, wenn sie ihre Tierbestände aus Not verkleinern müssen, wenn sie keine Einnahmen erzielen können, weil Sonne und Hitze in diesem Jahr so viel vernichtet haben?

Wie wollen Sie dem Wähler erklären, dass für viele Menschen in Not, die in Deutschland Schutz suchen, Milliarden da sind, aber für die deutschen Landwirte, von deren Arbeit unser aller Leben mit ­abhängt, ganz besonders streng geprüft werden muss, ob Finanzhilfe von einer Milliarde Euro gezahlt werden kann? Das C im Namen Ihrer Partei stand ja wohl für christlich? Oder etwa doch für Commerz? Rudolf Schlehahn Berlin

Unverschämte Bauern!

Seit Jahrzehnten tötet die konventionelle Landwirtschaft mit fettestem EU-Geld unsere Böden, das Klima und die Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Und jetzt, wo sie auch einmal selbst die Geschädigten sind, schreien sie auf, drängen zur Eile, auf dass sie weiter in ihrem für den gesamten Planeten bedrückenden Tiefschlaf alimentiert werden! Und mit ihnen die von allzu viel billigen Lebensmitteln Kranken, Verfetteten, Gleichgültigen SUV- und Smartphone-Süchtigen!

Noch wichtiger ist, dass diese Drecksfleischagrarindustrie Afrika kaputt macht, dort sollten sie auch endlich entschädigen, statt noch mehr für ihre Raubtier­rachen zu fordern! Wer Massenfleisch exportiert, wird Dürre ernten! Wer Waffen exportiert – und auch hier ist Deutschland Europameister – wird Flüchtlinge bekommen!

Wann werden diesen Leuten endlich die Schäden in Rechnung gestellt, die sie täglich anrichten?

Annette Weber, Heusenstamm

Das Risiko einpreisen

„Baden-Württemberg will Versicherung“, taz vom 1. 8. 18

Wenn der Staat diese „Versicherung“ mitbezahlt, ist es nichts als eine Subvention – auch für die Versicherungswirtschaft. Warum verdient aber gerade die indus­trialisierte Landwirtschaft eine Vollkaskoversicherung gegen Betriebsrisiken? Andersherum wird ein Schuh daraus: Das Risiko muss eingepreist werden im Verkauf, und die Branche muss in guten Jahren Rücklagen bilden für schlechte Jahre. Dem generellen Klimawandel muss sich die Branche durch Strukturanpassungen stellen. Die „Versicherung“ ist nur Augenwischerei, eine weitere versteckte Steuer zugunsten der Landwirte, deren Lobby es schafft, den Folkloreaspekt dieser Agrar­industrie so zu überhöhen, dass alle gerne Beschützer des armen Klischeelandwirts spielen wollen – den es so aber praktisch nicht mehr gibt. HUP auf taz.de

Zum Facharzt? Tür zu!

„Notausgang Notaufnahme“, taz vom 26. 7. 18

Ja, es stimmt, viele PatientInnen gehören nicht in die Notaufnahme. Vielfach wird sogar bei Beschwerden oder Verletzungen bewusst der Dienstschluss der Arztpraxen abgewartet, um dann ins Krankenhaus zu fahren. Wenn das Taxigeld fehlt, wird auch gerne der Notruf 112 gewählt, wohl wissend, dass es sich kein/e Disponent/in erlauben kann, Hilfeersuchen abzuweisen, denn wenn wirklich etwas Ernsthaftes dahinterstecken sollte, droht Ungemach (Körperverletzung, gegebenenfalls mit Todesfolge, durch Unterlassung).

Zwei Aspekte fehlen jedoch in der Betrachtung: Fahrten zur ambulanten Behandlung werden nur in Ausnahmefällen (etwa nicht umsetzbarer Rollstuhl, hoher Pflegegrad) nach vorheriger (!) Genehmigung durch die GKV übernommen. Wer also in seiner Mobilität eingeschränkt ist und kein Auto hat, wird so, zumal auf dem Land, zwangsläufig mittels Rettungsdienst im Krankenhaus landen (wird bezahlt). Letztlich haben wir als Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter mit Fahrdienst und Wohnangeboten für Menschen mit (Körper-)Behinderung noch ein ganz anderes Problem: Es gibt keine vollumfänglich barrierefreien (Fach-)Arztpraxen für Rollstuhlfahrende! Völlig grotesk etwa Urologen ohne Behinderten-WC oder Frauenheilkunde ohne entsprechende Ausstattung. Selbst in der Nähe zur Landeshauptstadt haben wir große Probleme und müssen auch deshalb in der Regel Bewohner/innen und andere Patienten einem Krankenhaus zuführen! Peer Maßmann, Villa Mitmensch, Pattensen

Bald Handyzwang?

„Schöne alte Welt“, taz vom 1. 8. 18

Eine interessante Mitteilung aus Frankreich. Leider tendenziös geschrieben. Das Gegenteil der belächelten „schönen alten Welt“ ist die schöne neue Welt. Aber bekanntlich ist die auch nicht so schön. Völlig unter den Tisch fällt, dass es SchülerInnen gibt, die sich so ein Gerät nicht leisten können oder es schlicht nicht wollen, die keinen Bock haben auf Cloud-Apps oder WhatsApp-Gruppen. Will man sie zwingen? – Richtig gut, dass Frankreich Microsoft und Konsorten keinen Fußbreit in die Klassenzimmer lässt wie in D-Land. Erst mal nachdenken, bevor frau sich hip lustig macht.

Christiane Zurmühl, Hohen Neuendorf

#MeNot in China

„Hohn und Hass für Opfer von ­Rassismus“, taz vom 31. 7. 18

Rassismus ist abstrakt, das stimmt. Aber dadurch entzieht er sich nicht nur manchmal dem sinnlich Wahrnehmbaren, sondern ist manchmal auch keiner. Gegenbeispiel: als Weißer in China. Den Spruch „laowai“, (wörtlich: „alter Ausländer“) muss man sich täglich circa hundert Mal anhören, selbstverständlich wird mit dem Finger auf einen gezeigt, oder man versucht in Kommunikationssituationen nicht erst, mit dir zu reden, sondern startet gleich mit Händen und Füßen, begleitet von der an die Kollegen gerichteten Bemerkung: „Ta ting bu dong“ („Sie versteht (eh) nicht“). Dass man anders ist, merkt man also.

Ich bekam sogar die Frage, ob meine Sommersprossen eine Hautkrankheit seien. Nein? Von der Sonne, aha, na dann zieh dir doch aber lieber lange Ärmel an und trag einen Sonnenschirm, so sieht es ja schlimm aus! Und ein kleiner Junge auf dem Land fragte mich gar: „Nide lian zenmela?“ („Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?“)

Aber: Man wollte doch stets mit mir in Kontakt treten, oben genannte Sprüche waren stets ein Zeichen für Neugier – so ist es in den meisten Fällen auch hier, wenn zum Beispiel jemand nach jemandes Hintergrund fragt. Wie aber will/soll man diese (natürliche) und gute Neugier trennen von Rassismus? Wenn das Interesse an jemandem groß ist und aufrichtig (manchmal ist es natürlich nur Sensationsgeilheit oder Publikumsheischerei), dann ist das doch eigentlich gut und eine Basis für interkulturellen Austausch. Da sie aber an desjenigen Andersartigkeit gebunden, wird sie schwierig, kritisch. Ja, es ist erst mal eine Beurteilung und eventuell auch Kategorisierung oder sogar Exotisierung, wenn sie auch positiv ist.

Ich weiß keine Lösung für die wichtigen und großen aktuellen Debatten zum Thema Rassismus (in ­Deutschland), möchte aber hiermit aus meiner Erfahrung als Deutsche im Ausland sagen: #MeNot. Elisabeth Krohn, Berlin