Beate Schederschaut sich in Berlins Galerien um:
Zwei bis acht Wochen beträgt die Lebenserwartung einer Fruchtfliege. Viel Zeit bleibt da nicht, von Unsterblichkeit zu träumen. Ob die zarten Insekten es dennoch tun? Die Antwort kennt vermutlich auch Nam Hoon Kim nicht. Immerhin hat dieser aber Zehntausenden Fliegen ein Nachleben als Kunstwerk gesichert, indem er sie in akribischen Linien auf einen Papierbogen klebte. Auch so kann es sich äußern, dieses „Spiel mit der Ewigkeit“, das die Kunst seit Menschengedenken umtreibt und der von Keumhwa Kim kuratierten Gruppenausstellung im Grimmuseum ihren Namen gibt. Außerdem? Ebenfalls vertreten ist unter anderem Euan Williams,dessen Soundinstallation nur von Kinderohren gehört werden kann, Ka Hee Jeong,die in Zusammenarbeit mit ihrem Professor Thomas Zipp einen 3-D-Abdruck von dessen bösen Gedanken erstellt hat, und Andrés Galeano, der zwei Opernsängerinnen über die physischen Gefahren singen lässt, die einem Kunstwerk drohen – von Schädlingen bis hohen Temperaturen (bis 31. 7., Mi.–Sa. 14–18 Uhr, Fichtestr. 2).
Nicht ganz für die Ewigkeit, aber immerhin auf längere Zeit angelegt ist die Serie skulpturaler Interventionen im TIER.space (The Institute for Endotic Research). Der Projektraum, initiiert von den beiden Künstlern Lorenzo Sandoval und Benjamin Busch, ist weniger Ausstellungsort als vielmehr Treffpunkt, Forschungslabor und Bühne in einem. Ana Alenso, in deren Skulpturen sich die komplexen Zusammenhänge zwischen Erdöl und sozialen wie ökologischen Ungleichheiten in ihrem Heimatland Venezuela spiegeln, ist die erste Künstlerin, die mit ihren Arbeiten den Projektraum kultiviert. Das ist wörtlich zu verstehen, entstehen soll eine Art Garten, deshalb wachsen aus Alensos schräger Konstruktion um ein gelbes Ölfass Pflanzen hervor. Die Zeit wird Spuren hinterlassen, Pflanzen werden wuchern, Metall rosten, neue Kunst sich dazugesellen. Vielversprechend! (dauerhaft, nach Vereinbarung theinstituteforendoticresearch@gmail.com, Donaustr. 84).
Im ebenso jungen Projektraum Weserhalle stellt Lena Marie Emrich zeitgleich den ersten Teil ihrer Serie „Empowering Poses“ vor. Protagonistin ist eine „rude receptionist“, also eine unhöfliche Empfangsdame (was für ein Wort!), die mit subtilen Gesten gegen ihre Rolle rebelliert. Nachzulesen sind diese – falls man des Stenos mächtig ist – in feinen Schriftbildern an der Wand. Und natürlich im Gipsabdruck ihrer Empowering-Pose auf dem Pult. Großartig auch: Emrichs kleine Skulpturen aus verbogenen Smartphoneschutzgläsern (bis 2. 8., Mi.–Sa 12–18 Uhr, Weserstr. 56).
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