wortwechsel
: Rassismus hat die Farben deines Landes

Alltagsrassismus gegen Deutsch-Türken zeigt ein weiteres Paradebeispiel: Mesut Özil.
Israel schafft Arabisch als offizielle Landessprache ab. Ist nun Antisemit, wer dies kritisiert?

7. Juli 2006, Nordrhein-Westfalen, Gelsenkirchen: Mesut Özil, FC Schalke 04 Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Die ganze Doppelmoral

„Mesut Özil tritt zurück“, taz vom 23. 7. 18

Lothar Matthäus hat sich mit Putin abgelichtet – wo blieb der Aufschrei? Dieses Ausmaß an Kritik an Mesut Özil spiegelte zum Großteil den kaschierten Türkenhass vieler engstirniger Menschen in Deutschland wieder, von denen es leider mehr gibt, als man denkt. Diese ganze Doppelmoral von den Stammtischmenschen, deren Horizont nicht über ihr eigenes Maß Bier hinausragt, bin ich leid. Gastarbeiter haben zusammen Deutschland wieder aufgebaut, das sogar bevor die Ostdeutschen dazukamen, und sie wurden außerdem gerufen! Die Message, die viele Betroffene jeden Tag verdeutlicht bekommen, ist klar: Als Deutsch-Türke darf man sich keine Fehler erlauben und man darf sich nicht zu seinen Wurzeln bekennen. Da wundert man sich noch, wieso manche sich von der Gesellschaft abwenden, wieso sich Parallelgesellschaften bilden und wieso viele sich wieder zu ihren Wurzeln bekennen; wenn man nicht akzeptiert wird, sondern aufgefordert wird, sich zu assimilieren, dann hat hier jemand anderes die Werte einer Demokratie nicht verstanden.

Selbst ich war lustigen Sprüchen, die auf Herkunft anspielen, ausgesetzt oder Sprüchen wie „so Türken wie du mag ich“ (und die, die du nicht kennst, magst du von vornherein nicht?), egal, wie viel Spaß dahinter steckt, es ist immer Ernst dabei, und egal, wie gut du als Mensch bist, wenn du einen Fehler machst, bist du der Ausländer. So geht es vielen Millionen Türken hier in Deuschland, aber auch Leuten mit anderer Herkunft – der latente Alltagsrassismus, der einen an manchen Tagen einfach nur runterzieht. Letztendlich ist der Fall um Mesut einfach tragisch und symbolisch für das Verhältnis vieler türkischstämmiger Deutscher, die allein aufgrund ihrer Herkunft schon bei manchen Leuten einheimischer (was ist das überhaupt, Heimat?) Herkunft anecken. Mesut, das Paradebeispiel für ein gelungenes Miteinander, der sich seiner Familie zuwider und sehr viel Kritik seitens türkischer Medien und Fans zuwider, als Allererster dafür entschied, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen, wurde in den letzten Monaten durch genau die oben beschriebenen Phänomene zu dieser Entscheidung gedrängt. Hoffen wir, dass hier nicht das Miteinander aufhört, sondern die Leute anfangen zu reflektieren und zu merken, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Niemand würde dem Herrn Matthäus unterstellen, für eine Diktatur und gegen die Demokratie zu sein.

Mesut biz seninle Gurur duyuyoruz! Danke Mesut, wir sind stolz auf dich!

Edis Mashar Yolcu, Karlsruhe

Weiß und unschuldig

„Danke, Mesut!“, taz vom 24. 7. 18

Anstatt sich bewusst zu machen, dass Rassismus ein Alltagsproblem ist, das viele in Deutschland lebende Menschen betrifft, weist der DFB die Schilderungen Özils zurück, sieht sich tolerant und rassismusfern. Dass das DFB-Präsidium vornehmlich aus weißen Männern besteht, die nicht von Rassismus betroffen sind, zeigt sich hier deutlich: Sie sind Teil eines gesellschaftlichen Normverständnisses, welches so verfestigt ist, dass es für sie unmöglich ist, rassistische Strukturen zu sehen, zu hinterfragen und eine Veränderung anzustoßen.

Liesa Rühlmann, Hamburg

„Alles andere als überraschend“,

taz vom 19. 7. 18

Israels Sprachen

Eine Bemerkung zu Herrn Hillenbrand: Muss man jetzt auch die Abschaffung von Arabisch als offizieller Sprache in Israel gutheißen, um nicht als Antisemit zu gelten und in rüdem Ton einen Maulkorb verpasst zu bekommen?

Susanne Bouché-Gauger, Stuttgart

Breaking the silence

Warum, Klaus Hillenbrand, fällt es so schwer, sich gegen eine despotische Rechtsregierung (in Kumpanei mit Typen wie Donald Trump und Viktor Orbán) mit Leuten wie Lieberman, die man nur als aggressive Rassisten bezeichnen kann, in Solidarität zum Beispiel mit Organisationen wie Breaking the Silence deutlich zu positionieren?

Im Land der Holocaust-Überlebenden heißen heutige Geflüchtete leider „Infiltranten“, die die Regierung gern nach Europa oder Afrika entsorgen will. Linke und antikoloniale Israelis kämpfen einen einsamen Kampf und warten auf unseren hörbaren Protest, auch aus dem Land der Täter. Also nicht, wie Sie meinen, „einfach mal die Klappe halten“, im Gegenteil.

Albert Lange, Detmold

Solidarische Ökonomie

„Wir brauchen einen Traum“,

taz vom 21./22. 7. 18

Europa hat eine Zukunft, wenn es den bisherigen Pfad verlässt und den Traum der Postwachstumsgesellschaft ausbuchstabiert. Wenn es den Traum einer solidarischen Ökonomie verfolgt, wenn es zivil den Vorrang vor militärisch gibt, wenn es der Natur ein Eigenrecht zuspricht, wenn es andere Kulturen und Wissensquellen gleichberechtigt einbezieht.

Das aktive Moment ist nicht die oder der Einzelne (das ist alte schöngeistige Denke), das aktive Moment ist der Zusammenschluss von vielen Einzelnen, und der Traum heißt konvivial leben.

Rainer Nolte, Bad Boll