Unüberwindliche Fünf-Prozent-Hürde

In der Diskussion um die Reform des Bremer Wahlrechts war die Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde nie ernsthaft ein Thema für die Parteien. Auch die Initiative „Mehr Demokratie“ hat dieses Problemfeld nicht intensiv beackert

bremen taz ■ Die meisten Sitze im Bremer Landesparlament werden von kleinen Findungskommissionen der großen Parteien vergeben. Schon die Wahlversammlungen der politischen Parteien, die offiziell die Landeslisten aufstellen, ändern an der Reihenfolge auf den guten Listenplätzen nur noch wenig. Die Initiative „Mehr Demokratie“ will das ändern – aber Wahlkreise mit Direktwahl ohne Fünf-Prozent-Hürde geht nicht, sagen jetzt die Rechtsgutachter: Das würde gegen die Fünf-Prozent-Klausel in der Bremer Landesverfassung verstoßen.

Und warum wird die Fünf-Prozent-Klausel nicht so verändert, damit es geht? Warum wird diese Klausel nicht schlicht abgeschafft wie für München oder Köln? „Das will keiner, auch nicht die Grünen“, sagt Heiko Strohmann, für die CDU im Wahlrechtsausschuss, „wir prüfen das, was möglich ist innerhalb der Verfassung.“ Willi Wedler, der FDP-Vertreter in dem Ausschuss, erinnert sich noch genau an die Diskussion darüber, wie der Gutachterauftrag formuliert werden soll. „Alle drei Fraktionen wollten damals, dass nur Rechtsfragen innerhalb der bestehenden Landesverfassung erörtert werden sollten.“

486.000 Wahlberechtigte gibt es im Bundesland Bremen, 83 Abgeordnete, rein rechnerisch kommt auf 1,2 Prozent der Wahlberechtigten ein Abgeordneter. Aufgrund der Fünf-Prozent-Klausel haben nur Wählervereinigungen eine Chance, die Stimmen für vier Abgeordnete zusammen zu bekommen.

Bis auf die Bremerhavener. Siegfried Tittmann von der DVU und Willi Wedler von der FDP sind als Einzelpersonen im Parlament, weil für Bremerhaven eine eigene Fünf-Prozent-Hürde gilt. Das gibt es in keinem anderen Landesparlament. In der Stadt Bremen sind DVU und FDP daran gescheitert. Er sei mit seiner Partei dennoch für die Fünf-Prozent-Klausel in Landtagen, sagt Wedler. Ihn überzeuge das Argument der „Zersplitterung“ und „Chaotisierung“ von Länderparlamenten. Die Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel könne er nur für die Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven vorstellen und fordere das auch. Und die andere Partei, die zumindest in der Vergangenheit oft an der Fünf-Prozent-Hürde gezittert hat?

„Seit ich denken kann, bin ich persönlich für die Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel“, sagt Karoline Linnert von den Grünen. „Das Thema spielt aber in der Diskussion der Wahlrechtskommission keine Rolle, weil es keine Chance hätte im Parlament. Auch die Initiative hat deswegen von Anfang deutlich gemacht, dass sie innerhalb des gegebenen Rahmens der Verfassung bleiben wollen.“

Heiko Strohmann bestreitet sogar, dass die Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel zu mehr Demokratie führen würde: „Jeder kann sich innerhalb einer der bestehenden Parteien engagieren“, sagt er, die Fünf-Prozent-Hürde sei kein Problem, was die Bevölkerung besonders bewege, sondern würde nur „von einigen Weltverbesserern“ thematisiert. Wenn Bremen – wie München oder Köln – die Klausel streichen würde, „dann geben wir unser Selbstverständnis als Landesparlament auf“. Eben weil Bremen das erste Landesparlament ohne diese Klausel wäre.

Die SPD sieht es im Grunde ähnlich: Die Fünf-Prozent-Hürde sei notwendig, sagt der Sprecher in Verfassungsangelegenheiten, Björn Tschöpe, damit Staatswahlen zu einer „stabilen Regierungsfähigkeit führen“. Und der Verein „Mehr Demokratie“? Warum fordert der nicht die Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde? Über diese Frage sei man intern unterschiedlicher Ansicht, deutet Wilko Zicht von „Mehr Demokratie“ an. Eine Verfassungsänderung könne man per Volksbegehren praktisch nicht erzwingen, weil die Hürden zu hoch sind, und da die Parteien alle dagegen seien, „stellt sich diese Frage leider nicht.“ Kawe