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Kito Nedo schaut sich in Berlins Galerien um

Die Schriftstellerin Jagoda Marinić kritisierte kürzlich, dass die Gesellschaft in Deutschland das Gesprächsangebot der #MeToo-Debatte nicht annehme. Tatsächlich scheint die Diskussion über sexualisierten Machtmissbrauch nicht in Gang zu kommen. Das macht die thematische Installation der documenta-14-Teilnehmerin Andrea Bowers deutlich, die den großen Ausstellungsraum der Galerie Capitain Petzel mit einer Installation über die Debatte in den USA füllt. Kunst erscheint als Form des Aktivismus. Die Gegenwart gibt Bowers Recht. Der Women’s March on Washington 2017 (der in einem ebenfalls gezeigten Film von Bowers eine Rolle spielt) oder die Demonstrationen gegen den Trump-Besuch in London machten die kreativen Kräfte sichtbar, welche gegenwärtig in der Protestbewegung wirken (bis 11. 8., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Karl-Marx-Allee 45).

Für Heiterkeit am Bauhaus sorgte einst Wassily Kandinsky mit einem Fragebogen, auf dem die Bauhäusler*innen Kreis, Dreieck und Quadrat den drei Grundfarben Rot, Grün und Blau zuordnen und ihre Wahl begründen sollten. Die dahinterliegende Grundfrage nach der Verbindung von Raum, Form und Farbe beschäftigt die zeitgenössische Kunst bis heute. Räumlich, farblich und formattechnisch zieht die argentinische Künstlerin Ad Minoliti die Regler bei Peres Projects bis zum Anschlag hoch. Die gebürtige Argentinierin zeigt in ihrer Ausstellung „Dollhouse“ quietschbunte Großformate, in denen klassisch-modernistische Formensprache und psychodelische Sixties-Interieurs mitein­ander verschmelzen. Oskar Schlemmers Triadisches Ballett tanzt auf Acid in einem Puppenhaus von Verner Panton (bis 3. 8., Mo.–Fr. 11–18 Uhr, Karl-Marx-Allee 82).

Gedämpfte Stimmung herrscht hingegen in der Inselgalerie am Bersarinplatz. Gezeigt wird die Kunst von drei Berliner Malerinnen: Christa Böhme (1940–1991), Brigitte Fugmann (1948–1992) und Brigitte Handschick (1939–1994). Verbunden sind die Bilder aus den Siebzigern und Achtzigern durch die bevorzugte Verwendung einer erdigen, abgedunkelten Farbpalette und einer expressionistisch gefärbten Stadt- und Landschaftserfahrung. Ein undatiertes Bild von Brigitte Handschick zeigt den S-Bahnhof Berlin-Grünau, als würde sich dort gerade eine riesige Düsternis zusammenbrauen. Brigitte Fugmann bildet im Jahr vor dem Mauerfall eine Gruppe Ostberliner Gothic-Kids ab („Gruftis“, 1988). Christa Böhme porträtiert sich 1980 mit kühlen Pinselstrichen mit Ölfarbe auf Hartfaser als nachdenkliche Stadtbewohnerin (bis 4. 8., Di.–Fr. 14–19, Sa. 13–17 Uhr, Petersburger Str. 76 a).

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