Der Ohrensessel wird zur Kommandozentrale

In Zukunft sollen alle technischen Spielzeuge miteinander kommunizieren. Einiges wird dadurch überflüssig: Das Handy ersetzt das Autoradio, der Computer übernimmt das CD-Sammeln, eine High-Tech-Fernbedienung steuert das ganze Haus. Eine Ausflug in die Produktwelt der IFA

von FELIX LEE

Bald sind die Zeiten vorbei, in denen man nach einem langen Arbeitstag mit sich ringen muss, ob man sich für einen Kino- oder Konzertbesuch noch mal auf die Straße begibt, nur um anschließend festzustellen: Abgesehen von einigen Specialeffects auf der Großleinwand oder dem ohrenbetäubenden Lärm der Konzerthalle hat sich der Ausflug wahrlich nicht gelohnt. Denn: Großarenen und Multiplexkinos gehören der Vergangenheit an. Die Zukunft der technischen Erlebniswelten liegt im heimischen Wohnzimmer.

„Digital Living Network Alliance“ lautet das Motto der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (IFA). Hifi-Anlage, Plasma-Bildschirm, Klimaanlage, Spülmaschine, Playstation, Handy und der Mini-PC sollen künftig reibungslos miteinander kommunizieren und ein gemeinsames Heimnetzwerk bilden. Wie? „HD“, „Wireless“ und „Fusion“ machen’s möglich.

Hier nun ein kleiner Vorgeschmack: Der Konsument von morgen muss sich nur in seinen Ohrensessel fallen lassen und vielleicht noch sein Handy-ähnliches PDA (zum Beispiel von T-Com) zwischen den Sofakissen suchen. Das sanfte Berühren von dessen Touch-Screen genügt, und schon lassen sich nicht nur Waschmaschine, Heizung oder die Jalousien bedienen, sondern auch sämtliche Unterhaltungsmedien im Haus.

Künftig soll selbst der Gang zum CD-Wechseln überflüssig sein: Dank einer in der Stereoanlage eingebauten 160 Gigabyte großen Festplatte ist die komplette CD-Sammlung bereits gespeichert und angereichert mit den aktuell aus dem Internet heruntergeladenen Hits. Das erledigt der Heim-PC (etwa die Sony Desktop-PCs) per Knopfdruck zwei Zimmer weiter. Nebenher nimmt er auch das laufende Fernsehprogramm auf.

Apropos Fernsehen. Von Flimmerkiste kann wirklich keine Rede mehr sein. HD steht für High Definition und bezeichnet einen digitalen Fernsehstandard, der fünfmal so scharfe Bilder zeigt wie die bisherige Glotze im PAL-Format. Künftig sind es nicht mehr grisselige Elektroteilchen, die durch ein dickes Rohr schießen, sondern feine Flüssigkristalle oder Plasma, die sanft über den Flachbildschirm gleiten (zum Beispiel die Flachbildschirmreihe Cineos von Philips). Die Bilder sind so hoch aufgelöst, dass man die Spieler eines Fußballländerspiels richtig nah heranzoomen kann – so nah, dass man das Gefühl bekommt, man könnte sich direkt in Zidanes Glatze spiegeln.

Nicht nur die Großleinwand im Format 16 zu 9 soll den Konsumenten von morgen in Stimmung versetzen, als wäre er mittendrin in der Fiktion. „Ambilight“ nennt sich ein neues Lichtsystem. Es taucht das Wohnzimmer in das zum Fernsehbild passende Licht – alles individuell steuerbar mit dem PDA.

Vorbei auch die Zeiten des Kabelsalats hinter dem Wohnzimmerschrank. Alle Daten – egal ob Musik, Filme oder Fotos – werden digital und schnurlos per „Wireless Lan“ (WLAN) oder Bluetooth versendet. Man möchte sich gar nicht ausmalen, wie viele Infrarotstrahlen, Funk- und Mikrowellen demnächst durchs Wohnzimmer sausen.

Strahlungsärmere Abhilfe schafft dann höchstens die Flucht ins Freie. Aber selbst da muss der Technikverwöhnte nicht auf seine Lieblingsserie verzichten. Ambilight für die Gartenterrasse ist zwar noch nicht in Planung. Mit dem DVB-T-Receiver (etwa von Yakumo) im Streichholzschachtelformat inklusive Zahnstocher-Antenne lässt sich jeder tragbare Fernseher zu einem Gerät mit hunderten von Fernseh- und Radioprogrammen umrüsten. Diese DVB-T-Strahlen düsen bereits seit zwei Jahren durch die Berliner Luft und ermöglichen kabelloses Fernsehen in Digitalqualität. Demnächst geht auch DVB-H „on air“. H steht für mobiles Fernsehen auf dem Handy.

Ach ja, das gute alte Handy. Fotografieren kann das Ding ja bereits, Adressen verwalten und Musik abspielen auch. Nun verschmilzt es mit dem Autoradio. Bei wem immer noch nicht angekommen ist, dass telefonieren am Steuer ohne Headset verboten ist, der darf dieses Verbot auch künftig ignorieren. Einmal mit dem Handy per Bluetooth initialisiert, übernimmt das Autoradio (zum Beispiel von Pioneer) die Kontrolle über das Telefon. Kein lästiger Stöpsel im Ohr des Fahrers, und die Hände bleiben auch am Steuer.

Wem das alles noch immer nicht mobil genug ist, der nimmt sein Wohnzimmer gleich ganz mit. Der Multimedia-Notebook (etwa Quosmio von Toshiba) kann so gut wie alles, was in einem herkömmlichen Wohnzimmer auf viele Geräte verteilt ist. Dank der eingebauten Lautsprecher ist das Klappgerät imstande, jedes Zimmer in Dolby-Surround-Qualität zu beschallen. Der Fernseh- und Internetempfang ist einwandfrei. Ach ja, tippen soll man mit diesen Dingern schon noch können. Aber da weiß man wenigstens, wofür man noch gebraucht wird.