Der Hofstaat des Imperators

Fatih Terim baut als Trainer der türkischen Fußball-Nationalmannschaft auf alte Kombattanten, unter anderem auf den betagten Stürmer Hakan Sükür. Am Samstag muss in der WM-Qualifikation ein Sieg gegen Dänemark her

ISTANBUL taz ■ Am Tag nachdem der AC Parma im Mai 1999 in Moskau durch ein 3:0 über Olympique Marseille den Uefa-Cup gewonnen hatte, meldete sich am Bosporus der Trainer von Galatasaray Istanbul zu Wort. „Wir werden in absehbarer Zeit in einem europäischen Finale stehen“, prahlte Fatih Terim. Ein Jahr später gewann der Klub gegen Arsenal London als erster türkischer Verein den Uefa-Cup. Terim: „Ich bin ein Mensch, der seine Versprechen zu halten pflegt“, sagte er. Die Medien verliehen dem Mann aus Adana den Beinamen Imperator, und die politischen Kommentatoren sahen in Terim ein Beispiel fürs ganze Land: „Er hat uns gezeigt, wie man es mit ein bisschen Anstrengung nach Europa schaffen kann.“

Nun ist der Imperator zurück und soll dem in die Krise geratenen türkischen Fußball den Weg zur WM 2006 weisen. Vor zweieinhalb Monaten hat der Verband den jungen Nationaltrainer Ersun Yanal entlassen. Dass Verbandspräsident Levent Bicakci ausgerechnet den mittlerweile 51-jährigen Terim mit der heiklen Aufgabe betraut hat, die Milli Takim in den noch ausstehenden drei Begegnungen der WM-Qualifikation den zweiten Tabellenplatz zu verteidigen, ist Ausdruck von Verzweiflung. Die Angst geht um in der Türkei, zum zweiten Mal hintereinander ein großes Turnier zu verpassen. Die Teilnahme an der EM 2004 verspielte man gegen Lettland. Eine schwere Demütigung, schließlich hatte man sich nach dem dritten Platz bei der WM 2002 auf einer Stufe mit den großen Fußballnationen gewähnt.

Der akademisch gebildete Yanal (42) hatte nie eine Lobby bei den Medien. Am Ende verspotteten sie ihn wegen seiner modernen Methoden als „Laptop-Trainer“. Zum Fallstrick wurde für Yanal vielmehr die Ausmusterung der 33 Jahre alten Stürmerlegende Hakan Sükür von Galatasaray Istanbul, die eine Kampagne der Medien nach sich zog und Yanal die ständige Kritik der Galatasaray-Lobbyisten einbrachte. Verbandsboss Levent Bicakci, der stets betont hatte, während der Qualifikation nicht den Trainer zu wechseln, knickte schließlich ein. Der beleibte Jurist, angetreten mit dem Anspruch, mehr Transparenz in den von Manipulationsskandalen und Grabenkämpfen der Istanbuler Groß-Klubs Galatasaray, Besiktas und Fenerbahce geschwächten Lieblingssport der Türken zu bringen, entpuppte sich als schwacher Lavierer und steht nun selbst unter Druck. Sollte es mit der Qualifikation nicht klappen, sind auch Bicakcis Tage gezählt.

Yanal-Nachfolger Terim trainierte schon einmal die Nationalmannschaft (1993 bis 96) und führte die Türkei erstmals zu einer EM, 1996 in England. Danach puschte er Galatasaray viermal hintereinander zur Meisterschaft und zum Uefa-Cup-Triumph. An seinem Ansehen kratzten auch die erfolglosen Gastspiele in Florenz und beim AC Milan nicht. Doch seine mit hohen Erwartungen verknüpfte Rückkehr zum maladen Galatasaray endete 2004 mit Terims unrühmlichen Abgang.

Mit dem autoritären und zur Selbstherrlichkeit neigenden Terim endet die Moderne: Der türkischen Fußball tritt wieder mit einem Kaiser und einem König an. Der in dieser Saison noch torlose „Kral“ (König) Hakan Sükür, steht ebenso wie die alten Galatasaray-Weggefährten Ergün Pembe (Galatasaray), Alpay Özalan (Köln) und Fatih Akyel (Paok Saloniki) im Kader. „Ich glaube fest daran, dass wir es nach Deutschland schaffen“, sagt Terim, dem Leistungsträger wie Nihat und Emre verletzt fehlen, wenn es am Sonnabend im Inönü-Stadion von Besiktas darum geht, Dänemark endgültig die WM-Hoffnungen zu nehmen. Am kommenden Mittwoch in der Ukraine will man punkten und mit einem Erfolg am letzten Spieltag Anfang Oktober in Albanien den zweiten Platz vor den Griechen und deren Trainer Otto Rehhagel sichern.

„Sollten wir uns für die WM qualifizieren, dann haben wir es Yanal zu verdanken. Verpassen wir die Qualifikation, trage ich die Verantwortung“, sagt Terim gönnerhaft, wissend, dass der Lorbeerkranz für den Triumph dann nur ihm, dem Imperator, aufgesetzt werden wird.

TOBIAS SCHÄCHTER