Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Die Veränderungen, denen die Menschen in der Moderne der Nachkriegsgesellschaft ausgesetzt waren, standen immer wieder im Mittelpunkt der Filme von Michelangelo Antonioni seit den späten 1950er Jahren. Während Antonioni selbst Neuem gegenüber stets aufgeschlossen war und sich ganz sicher nicht als Nostalgiker betätigte, sind seine Protagonisten doch immer ein wenig hilflos in dieser neuen Welt, in der ihre Bindungen und Beziehungen scheitern – oder sich neu erfinden müssen. In seinem ersten Farbfilm „Die rote Wüste“ (1964) macht Antonioni die farblich verfremdete Industrielandschaft Oberitaliens zum Auslöser und Spiegel der seelischen Krankheit der Protagonistin Giuliana (Monica Vitti), die von Umwelt- und Krankheitsängsten geplagt wird und von ihrem sachlich-technisch orientierten Ehemann nur wenig emotionale Unterstützung erfährt. Vitti war die perfekte Darstellerin der ästhetisierten Sinnkrisen Antonionis: ebenso neurotisch wie rätselhaft. (13. 10., Regenbogen-Kino)

Mal andere Töne bei Pixar: Statt von kochenden Ratten, einsamen Robotern oder Spielzeugfiguren mit Zukunftsängsten erzählt „Merida – Legende der Highlands“ einen disneyesken Mutter-Tochter-Konflikt im schottischen Mittelalter. Die selbstbewusste Merida, ein rothaariger Wildfang, geht am liebsten Reiten, Klettern und Bogenschießen, ihre konservative Mutter, Königin Elinor, will sie lieber heute als morgen vermählen. Die Kandidaten sind allerdings alle ziemliche Gurken, und Merida ist nicht gerade diplomatisch. Vorbild für den Generationskonflikt im Film war die Beziehung von Koregisseurin Brenda Chapman zu ihrer dickköpfigen Tochter – mythische Irrlichter, eine verantwortungslose Hexe und verzauberte Bären dürften dem häuslichen Konflikt allerdings hinzuerfunden worden sein. Neben der liebevollen Charakterzeichnung besticht der Film auch mit einer detailreichen Darstellung der verwunschenen schottischen Landschaft, die man durchaus als Computeranimationsentsprechung zu einem Kunstwerk wie dem Jahreszeitenwechsel im Wald von Disneys Klassiker „Bambi“ bezeichnen darf. (11. 10.–17. 10., Alhambra, Tonino, Union)

Eine lange Tradition im Animationsfilm besitzt auch Estland, wo die Regisseure Heiki Ernits und Janno Pöldma schon seit einigen Jahren mit ihren „Lotte“-Abenteuern ausnehmend charmante Kinderfilme produzieren. Das liebenswerte Hundemädchen lebt im Dorf der Erfinder, von wo aus sie sich in „Lotte und das Geheimnis der Mondsteine“ gemeinsam mit ihrem Onkel Klaus auf eine Expedition begibt, die sie unter anderem mit Mondhasen und einem liebestrunkenen Musiker zusammenführt. Präsentiert wird eine ungeheuer fantasievolle und fast surreale Entdeckungsfahrt in ein Wunderland, das unter anderem mit einem Dschungel, einem Regenlabyrinth und einem Spinnwebenmuseum aufwartet. Lotte ist dabei ebenso neugierig wie abenteuerlustig und stets hilfsbereit: Was wäre man schließlich ohne seine Freunde? (11. 10.–17. 10., Acud, 12. 10.–14. 10., Regenbogen Kino) LARS PENNING