1,27 Milliarden Euro mehr für Ärzte

VERDIENST Niedergelassene Kassenmediziner bekommen nach monatelangem Tauziehen mit den Kassen mehr Geld. Obwohl Standesvertreter zufrieden sind, bleiben am Mittwoch viele Praxen geschlossen

■ Allgemeinmediziner: 5.018 Euro je Monat, Orthopäden: 6.344 Euro, Psychotherapeuten: 2.658 Euro (alle netto).

■ Labormediziner: 230.000 Honorarumsatz pro Quartal, Nierenspezialisten: 224.000 Euro, Strahlenmediziner: 199.000 Euro, Orthopäden: 56.000, Gynäkologen: 47.000 Euro. (dpa)

BERLIN taz | In Düsseldorf, Hamburg und Berlin standen Patientinnen und Patienten am Mittwoch vor verschlossenen Türen ihrer Ärzte. „Wir streiken“, hieß es. Manche Ärzte hatten ihre Anrufbeantworter programmiert: „Heute ist die Praxis geschlossen.“ Und das, obwohl die Mediziner künftig nicht nur mehr Geld bekommen sollen. Auch sind ihre Standesvertreter mit dem Kompromiss, der am Dienstagabend nach langem Tauziehen gefunden wurde, weitgehend zufrieden.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) verständigten sich darauf, dass die Honorare für die rund 129.000 niedergelassenen Ärzte und 21.000 Psychotherapeuten zum kommenden Jahr zwischen 1,15 und 1,27 Milliarden Euro steigen. Das entspricht einem Plus von 3,5 bis 3,8 Prozent. 2011 bekamen die Ärzte von den Kassen insgesamt 33,3 Milliarden Euro. Das Monatsnetto der Ärzte von gesetzlichen und privaten Kassen beträgt im Schnitt 5.442 Euro.

„Wir haben im Sinne der Patienten, Beitragszahler und Ärzte eine gute Lösung gefunden“, sagte GKV-Vizechef Johann-Magnus von Stackelberg. „Das ist ein guter Kompromiss für die Patienten“, erklärte KBV-Vorstandsvorsitzender Andreas Köhler.

Ursprünglich hatten die Ärzte 3,5 Milliarden Euro gefordert, die Kassen wollten aber nur 270 Millionen Euro geben. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, bezeichnete die Kassen noch im September als „verantwortungsloses Machtkartell, das monopolartig versucht, uns unter seine Knute zu zwingen“. Köhler nannte die Kommunikation der Kassen „diffamierend und respektlos“. Die Ärzte hatten für den Fall, dass es bei den 270 Millionen Euro bliebe, angekündigt, vors Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu ziehen. Das ist nun vom Tisch.

Das aktuelle Honorarplus setzt sich zusammen aus Steigerungen der verschiedenen, komplex verwobenen Faktoren, aus denen sich ein Arzthonorar errechnet. Das Vergütungssystem wurde von KBV-Chef Köhler entscheidend mitentwickelt, ist also keine Erfindung der Kassen.

Konkret soll der Posten „Orientierungswert“ insgesamt um 270 Millionen bis 290 Millionen Euro steigen. Er ergibt sich aus dem Punktwert, der den Wert einer medizinischen Leistung bezeichnet. Dieser Punktwert steigt von jetzt 3,50 Cent auf 3,54 Cent.

Außerdem sollen die hausärztliche und fachärztliche Grundversorgung um 250 Millionen Euro und sogenannte extrabudgetäre Leistungen – etwa ambulante Operationen – um 150 Millionen Euro steigen. Darüber hinaus werden zwischen 330 Millionen und 450 Millionen Euro zur Aufwertung solcher als förderungswürdig bezeichneten Leistungen ausgegeben. Die Psychotherapeuten werden aus der ärztlichen Berechnungstabelle herausgenommen und bekommen 130 Millionen Euro mehr.

Am 22. Oktober soll die Honorarerhöhung endgültig beschlossen werden. SIMONE SCHMOLLACK