ISRAEL: DIE POLITISCHE KRISE NÜTZT DEM FRIEDENSPROZESS
: Scharon allein ist zu gefährlich

Israel steuert auf vorgezogen Neuwahlen zu. Zwar hat der offizielle Prozess noch nicht begonnen, doch innerhalb der Parteien formieren sich die Fronten. Drei ernsthafte Kandidaten für das höchste Regierungsamt werden derzeit gehandelt. Mit Blick auf weitere Zugeständnisse an die Palästinenser befinden sie sich in unterschiedlichen Startpositionen. Da ist einer, der gar nicht will, ein Zweiter, der will, aber nicht kann, und ein Dritter, bei dem man es nicht so genau weiß.

Der amtierende Premierminister Ariel Scharon erscheint derzeit als die einzige hoffnungstragende Lösung. Exfinanzminister Benjamin Netanjahu, Scharons interner Herausforderer in der regierenden Likud-Partei, verließ sein Amt aus Protest gegen den Abzug aus den palästinensischen Gebieten. Unter den Parteimitgliedern hat er mit Abstand die Mehrheit hinter sich, und das, obwohl Scharon derzeit bei Wahlen doppelt so viele Sitze holen würde. Selbst wenn die drohende Wahlschlappe die Parteimehrheit zugunsten des verhassten Vorsitzenden verrücken würde, so bleibt der Likud doch ideologisch Netanjahu treu.

Eine Wiederholung der weitgehend undemokratischen Entscheidungsprozesse, die den israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen und einigen Siedlungen in der Westbank ermöglichten, sollte es nicht geben. Scharons Alleingang war nicht nur ermüdend und letztendlich auch bedrohlich – solange die Umsetzung des Plans an nur einem Menschen hängt, besteht die enorme Gefahr eines politischen Attentats. Dieses Risiko ist überflüssig, denn die israelische Bevölkerung und auch das Parlament unterstützen mehrheitlich die fortgesetzte Auflösung jüdischer Siedlungen, allen voran der so genannten Siedlungsvorposten.

Scharon hätte also die Möglichkeit, sich gemeinsam mit dem Sozialisten Peres, der ihm inzwischen ohnehin ideologisch deutlich näher steht als die meisten der eigenen Parteifreunde, ein neues politisches Zuhause zu schaffen. Der Druck auf Scharon käme dann nicht von Leuten, die ihn am Rockzipfel festhalten, sondern vom linken Lager, das dann versuchen würde, ihn nach vorne zu treiben. Für den Friedensprozess deutlich verbesserte Voraussetzungen. SUSANNE KNAUL