Auf engstem Raum

OBDACHLOSE Viele ziehen die Straße vor – das Angebot an Unterkünften geht an den Bedürfnissen vorbei

Kommenden Sonntag startet das alljährliche Winternotprogramm, mit dem Obdachlose von der Straße geholt und vor dem Erfrieren gerettet werden sollen. Rund 200 zusätzliche Übernachtungsplätze richtet die Stadt dafür über den Winter ein. Doch das 400.000 Euro–Programm geht nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege teilweise am Bedarf vorbei. „Wenn die regulären Obdachlosen-Unterkünfte eine bessere Qualität hätten, wäre dieses Programm nicht notwendig“, sagt Stephan Nagel vom Diakonischen Werk.

Die Situation in den Unterkünften ist angespannt, denn die Zahl der Langzeitobdachlosen nimmt stetig zu. 40 Prozent der Bewohner leben bereits mindestens zwei Jahre in den Behelfsunterkünften, die nur als Übergangslösung gedacht sind. Hier fehlt jede Privatsphäre: Nur 16 Prozent der Unterkunftsnutzer können in Einzelzimmern untergebracht werden und so auch mal die Tür hinter sich abschließen.

Da viele Langzeit-Obdachlose mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, gestaltet sich das Zusammenleben auf engstem Raum oft konfliktreich. Die Folge: Viele Obdachlose steuern die Übernachtungsstätten nicht an, schlafen – auch im Winter – lieber im Freien. „Wir brauchen dringend überschaubare, dezentrale Unterkünfte mit Rückzugsräumen, um die Menschen von der Straße zu kriegen“, sagt Josef Laupheimer von der Caritas.

Kritik äußert die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege auch an den Wohnungsunternehmen und Baugenossenschaften. Die haben sich in einem Vertrag mit der Stadt verpflichtet, Wohnraum für Menschen ohne Obdach anzubieten. Doch die Zusagen würden nur teilweise eingehalten: „Seit 2005 wurden 2.500 Wohnungen zu wenig zur Verfügung gestellt“, sagt Nagel.

Von Wohnungsgesellschaften wie SAGA / GWG sei oft zu hören, dass sich eine stärkere Berücksichtigung der Wohnungslosen „auf die soziale Durchmischung ihrer Siedlungen zu negativ auswirken würde“, berichtet Arbeitsgemeinschafts-Geschäftsführer Michael Edele. MARCO CARINI