Der alte Mann und das Tor

FAVORITENKILLER Die Fußballer des Drittligisten VfL Osnabrück warfen nach dem HSV nun auch Borussia Dortmund aus dem DFB-Pokal. Nun hofft der VfL auf eine TV-Live-Übertragung in der nächsten Runde

„Dass Barletta einen Fallrückzieher macht, hat ihn selber überrascht“

„Fußball-Wunder“, „Pokalmärchen“, „Wahnsinn“. Das sind drei Vokabeln, die öfter in Zusammenhang mit dem DFB-Pokal vorkommen: Dann nämlich, wenn ein David einen Goliath aus dem Wettbewerb geworfen hat. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch waren diese drei Wörter in Osnabrück zu hören, aus den Mündern der Fans, der Funktionäre und der Sportreporter. Der VfL Osnabrück, derzeit Fünfter der Dritten Liga, hatte den Erstligisten Borussia Dortmund mit 3 : 2 besiegt. Es war bereits das dritte „Fußball-Wunder“ in Folge: Zuvor hatte der VfL den Hamburger SV und Hansa Rostock aus dem Wettbewerb gekickt. Der Sieg könnte den finanziell angeschlagenen Club sanieren, wenn der VfL in der nächsten Runde wieder einen Erstligisten zugelost bekäme und das Geld für eine Live-Übertragung einstriche.

Im Mittelpunkt steht nach der Partie ein Spieler, den seine Teamkollegen am Dienstag Abend als „Fußball-Gott“ feierten: Abwehrchef Angelo Barletta erzielte zwei der drei Osnabrücker Tore, wobei sein Treffer zum 1 : 0 in der 37. Minute beste Chancen hat, mindestens zum „Tor des Monats“ gekürt zu werden. Nach einer Ecke von Björn Lindemann traf der 32-jährige Verteidiger mit einem Fallrückzieher ins Dortmunder Tor. „Ich habe einfach instinktiv gehandelt“, kommentierte er seinen Traumtreffer. „Das war ja wie bei Klaus Fischer“, schwärmte VfL Trainer Karsten Baumann in Anspielung auf den ehemaligen Schalker Nationalspieler. Und fügte an: „Ich dachte, der alte Mann bricht sich die Knochen.“

Nur fünf Minuten später war erneut Barletta zur Stelle und köpfte wieder nach einer Lindemann-Ecke zur 2 : 0-Führung. Der Defensivspezialist mit italienischem Pass, der vor der Saison beim Zweitligisten FSV Frankfurt aussortiert worden war, entzauberte die Dortmunder im Alleingang. Er musste sich nach der Partie aber auch einige spöttische Bemerkungen anhören. „Was Barletta alles kann, das gibt’s ja gar nicht“, sagte VfL-Torwart Tino Berbig feixend, während Osnabrücks Clubchef Dirk Rasch witzelte: „Dass Barletta einen Fallrückzieher macht, hat ihn selber überrascht.“

Für den Dortmunder Coach Jürgen Klopp lagen die Gründe für die Niederlage in der Bräsigkeit der eigenen Mannschaft. Sein Team habe es versäumt, die Überlegenheit in den ersten 45 Minuten in Torchancen umzusetzen. Selbst als die Borussen im zweiten Durchgang stärker aufkamen, konnten sie dem Kampfgeist der Osnabrücker nicht viel entgegensetzen.

Eine Ausnahme bildete die 55. Minute: Die VfL-Abwehr vertändelte den Ball im eigenen Sechzehner und schaute Nuri Sahin untätig zu, wie der Dortmunder an Torwart Tino Berbig vorbei zum 2 : 1 traf. Doch eine Viertelstunde danach spielte Dennis Schmidt einen Traumpass auf Benjamin Siegert: 3 : 1.

Erst in der Nachspielzeit konnte Dortmund noch auf 3 : 2 verkürzen. Doppeltorschütze Barletta wusste, wem das Team den Sieg zu verdanken hatte: „Das sind die Zuschauer, die puschen hier dermaßen. Unglaublich, wie positiv die auf uns wirken.“ HEIKO OSTENDORF