AUF DEM AMT
: Unangenehm

„Darf ich aufs Klo?“, muckt jemand auf

Erst auf den zweiten Blick offenbart sich eine subtile Ordnung unter den vielen Wartenden. Sehr langsam mäandern sie in der Form einer Schlange durch den kleinen Raum. Am Ende: zwei Schalter. Ein ausgeklügeltes System macht das Warten besonders unangenehm. Zwischen den kreuz und quer gespannten Absperrbändern, die den Weg der Schlange bestimmen, bleibt kaum Platz, ein Buch hervorzuholen. Dafür hält man ständigen Körperkontakt zu den Mitwartenden. „Darf ich aufs Klo?“, muckt jemand auf.

Der dürre Wachschutzmann weist rüde darauf hin, dass, wer aus dem Raum trete, nicht mehr zurückdürfe und sich wieder hinten anstellen müsse. Die Schlange ist lang, und die Wartenden im Raum schauen am Wachmann vorbei auf die draußen Wartenden. „In die Hose geschissen!“, triumphiert die Ruferin. Als ich nach zwei Stunden am Schalter ankomme, ist der Mann hinter mir nach Hause gegangen, ein Kind hat sich an der Wand blutig geschlagen, und sobald ich die Augen schließe, erscheint mir die Zeichnung, die der Schweiß meines Vordermanns auf seinem T-Shirt hinterlassen hat.

Jobcenter Neukölln. Meinen Antrag dürfe ich hier nicht abgeben. Ich bekomme eine Wartenummer und muss nebenan warten, bis ich aufgerufen werde. Meinen Antrag darf ich auch hier nicht abgeben. Und beim Diktat meiner knappen Ausbildungsdaten tauchen unvorhersehbare Missverständnisse auf. „Gender – eine Stadt in Florida?“, kommentiert der Sachbearbeiter meinen Studienabschluss. Was, ich dachte lange darüber nach, nicht ganz so unmöglich ist, wie es mir gerade erschien.

Ich bekomme eine bunte Mappe. Auf dem roten Deckblatt ist ein Termin vermerkt. Dann, sagt der Sachbearbeiter, werde mir ein weiterer Termin mitgeteilt, zu dem ich dann meinen Antrag in der Mappe abgeben dürfe. SONJA PLUME