Leichenwesen: Legalize it!

TOD Die Grünen wollen Bremen zum Vorreiter einer liberaleren Friedhofsordnung machen. Dazu gehöre eine Asche-Ausstreu-Erlaubnis

Der Friedhofszwang beruht auf national-sozialistischer Gesetzgebung

Die Grünen wollen den Friedhofszwang aufheben. Wenn sie dafür in der Bürgerschaft eine Mehrheit finden, wäre Bremen das erste Bundesland, in dem die Asche Verstorbener an Land ausgestreut oder zu Hause aufbewahrt werden dürfte.

Europaweit würde sich Bremen damit allerdings nur der vorherrschenden Gesetzeslage anpassen, sagt Maike Schaefer, Autorin des Antrags. Selbst in „sehr christlich geprägten Ländern“ wie Italien oder Spanien bestehe kein Friedhofszwang. In Deutschland wurde er 1934 durch das NS-Feuerbestattungsgesetz eingeführt, das als Ausnahme nur Seebestattungen zulässt. Die Folge: Es gäbe einen regelrechten „Leichen-Export“ etwa in die nahen Niederlande, von wo aus die Asche – à la „Opa im Kofferraum“ – nach Deutschland gebracht würde. Schaefer: „Eine solche Grauzone widerspricht der Pietät und Menschenwürde.“ Sie betont: „Wer den Wunsch hat, sich ausstreuen zu lassen, soll das legal tun dürfen.“

Nun suchen die Grünen eine breite Diskussion, zu der sie Montag ins Café Radieschen (Buntentorsteinweg 65) einladen. Die Bedenken etwa der Kirchen würden sehr ernst genommen, versichert Schaefer – auch der Einwand, dass ohne Grab ein für alle zugänglicher Ort der Trauer fehle. Die Erfahrungen in den Niederlanden zeigten jedoch, dass dort nur vier Prozent aller Friedhofsverweigerer die Urne im Regal oder Garten behielten. „Ein Park, in dem die Asche ausgestreut wird, kann für alle Angehörigen ein sehr schöner Erinnerungsort werden“, sagt Schaefer.

Zu diskutieren sei nun unter anderem, in welcher Weise die Ortswahl beim Streuen eingeschränkt werden müsse, um Pietät und Würde zu wahren. All dies sei landesrechtlich regelbar.

Aber weicht die Aufhebung der Friedhofspflicht nicht sinnvolle soziale Standards auf? Das kostengünstige Ausstreuen oder Privatverwahren von Urnen könne Kommunen auf die Idee bringen, bei ihren Armenbegräbnissen noch stärker als bisher schon zu sparen, fürchten kirchliche Kritiker der grünen Initiative. Diesbezüglicher Spar-Spitzenreiter ist Berlin, das seine Sozialbegräbniskosten von einstmals 3.500 auf 500 Euro gesenkt hat. In Bremen liegen sie, je nach Trauerfeier-Bedürfnis, zwischen 650 und 820 Euro.

Schaefer will ein Begräbnis-Dumping gesetzlich ausschließen. Dass hingegen Angehörige aus reinen Kostengründen von einer Liberalisierung der Friedhofsordnung Gebrauch machen würden, könne nicht ausgeschlossen werden. Aber auch im jetzigen Rahmen sei solches Knausern möglich, wie die stark gestiegene Zahl anonymer Beerdigungen, bei denen weder Kosten für einen Stein noch für die Grabpflege anfallen, zeige. Um so wichtiger, sagt Schaefer, sei die rechtzeitige individuelle Vorbereitung auf den Tod – samt Festlegung der gewünschten Bestattungsart. HENNING BLEYL