Spätere Pkw-Maut nicht ausgeschlossen

Kurz vor der Wahl spricht sich Unions-Ministerpräsident Oettinger für eine allgemeine Straßennutzungsgebühr aus. Im Gegenzug soll aber die Steuerlast sinken. Damit widerspricht er der Kanzlerkandidatin Merkel, die keine neue Maut will

AUS BERLIN STEPHAN KOSCH

Pech für Angela Merkel. Erst am Dienstag hatte sie über das Magazin Auto Motor und Sport verkündet, dass eine Maut für Pkws mit der Union nicht zu machen sei. Doch gestern fuhr ihr ihr Parteikollege, der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger, in die Parade. „Ich glaube, dass eine Pkw-Maut langfristig ernsthaft in Erwägung zu ziehen ist.“ Auch aus Nordrhein-Westfalens Regierung wurden ähnliche Planspiele bekannt. Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) versicherte aber umgehend, die Arbeiten sofort einstellen zu lassen. Solche Überlegungen stammten noch aus der Zeit der rot-grünen Landesregierung. „Wir machen mit dem Unsinn Schluss.“ Für Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) eine Steilvorlage im Wahlkampf. „Ich bin mit Leidenschaft gegen eine Pkw-Maut“, sagte Stolpe. Doch in den Stellungnahmen von Unionspolitikern sei „keine klare Linie erkennbar“.

Was hat den Aufruhr verursacht? Die Länderverkehrsminister hatten auf ihrer letzten Konferenz im April vereinbart, dass eine Arbeitsgruppe unter der Führung Baden-Württembergs neue Möglichkeiten einer Finanzierung für Neubau und Sanierungsarbeiten von Straßen und Schienen prüfen solle. Denn die geraten gegenüber ihren Anforderungen „in einen immer größeren Rückstand“, sorgten sich die Minister.

Die Bundesregierung will dieses Jahr 8,9 Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur ausgeben, in den kommenden Jahren weniger. Die Industrie hält jedoch mindestens 12 Milliarden Euro jährlich für nötig, um das bestehende Streckennetz auf einen modernen Stand zu bringen.

Auf dem nächsten Treffen der Verkehrsminister im Oktober soll die von den Verkehrsministern eingesetzte Arbeitsgruppe einen Zwischenbericht vorlegen. Der könnte ein deutliches Plädoyer für die Einführung einer Pkw-Autobahnvignette enthalten. Übereinstimmend zitierten gestern verschiedene Medien aus dem Papier. Fachleute sollen darin eine „zeitnahe“ Autobahnpauschale vorschlagen.

Tatsächlich müsste Deutschland nur nachahmen, was in Nachbarländern bereits Usus ist. In der Schweiz kostet eine Pkw-Vignette für 14 Monate 26,50 Euro, in Tschechien 22 Euro pro Jahr und in Österreich sogar 72,60 Euro. Bei über 45 Millionen Autos in Deutschland würde dies möglicherweise einige Milliarden Euro einbringen.

Weil gleichzeitig die Mineralölsteuer gesenkt werden soll, um die Autofahrer nicht zusätzlich zu belasten, würde zwar nicht unbedingt mehr im Staatssäckel bleiben. Eine Autobahnabgabe könnte aber, anders als die in den allgemeinen Bundeshaushalt fließende Mineralölsteuer, ohne Umwege an die bestehende Verkehrsinfrastrukturgesellschaft gehen. Und so direkt für den Straßenbau verwendet werden.

Doch was so einfach klingt, hat seine Tücken. Denn zum einen werden aus der Mineralölsteuer auch andere staatliche Aufgaben finanziert als die Infrastruktur. Dieses Geld müsste dann woandersher kommen. Und zum anderen würden Vielfahrer mit spritfressenden Autos am Ende entlastet. Denn sie würden nicht mehr Autobahngebühr zahlen als diejenigen, die die Straße nur gelegentlich nutzen.

„Ökologischer Schwachsinn“, sagt deshalb auch Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland zur Autobahnvignette.

Anders sieht dies der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, dessen Mitglieder von neuen Straßenbauaufträgen profitieren würden „Wir können uns eine Pkw-Gebühr gut vorstellen“, sagt Sprecher Heiko Stiepelmann der taz. Voraussetzung sei allerdings, dass der Autofahrer an anderer Stelle entsprechend entlastet werde.

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