die woche in berlin
: die woche in berlin

Im Kippa-Prozess fällt ein Urteil, die Thaiwiese in Wilmersdorf soll ordentlich deutsch werden, das Radgesetz wird nach zwei Jahren verabschiedet, und das Parlament setzt einen neuen Untersuchungsausschuss zum BER ein

Bändigen, was nicht zu bändigen ist

Neue Regeln für die Thaiwiese in Wilmersdorf

Hygienevorschriften also. Und Steuern. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf will auf der sogenannten Thaiwiese im Wilmersdorfer Preußenpark Ordnung schaffen und Geld damit einnehmen. Der berühmt gewordene Handel von ganzen fritierten Fischen, Hühnchenspießen und wilden Currys soll erhalten bleiben. Allerdings ist fraglich, ob die Frauen, die dort mehrheitlich kochen, die geplanten hohen Auflagen werden erfüllen können. Auf der Wiese gibt es zum Beispiel kein fließendes Wasser.

Die Thaiwiese entstand in den 1990er Jahren als Treff deutsch-thailändischer Familien. Nicht selten stammen die Frauen, die dort ihr Mitgebrachtes in zahlreichen Töpfen raffiniert aufwärmen und verkaufen, aus den ärmsten Regionen Thailands und kamen durch Heirats­mi­gra­tion nach Deutschland. Viele berichten, dass sie durch die Kocherei das allzu schmale Familieneinkommen verdoppeln, während die Ehemänner helfen, neue Zutaten von zu Hause anschleppen oder mit den anderen Männern nebenan auch mal eine Runde Skat spielen.

Oft sieht man auf der Thaiwiese auch buddhistische Mönche oder Menschen, die anderen gegen wenig Geld den Rücken massieren. Man kann regelrechte Milieustudien anstellen und studieren, welche Umwege die sogenannte Integration oder auch das Arrangement mit fremden Gewohnheiten und Geschlechterrollen nehmen kann.

Viele Anwohner sind von dem Treiben, das stetig mehr Berliner und zunehmend auch Touristen anlockt, genervt. Doch mit festen deutschen Regeln das dem Markt innewohnende Chaos zu strukturieren, kann eigentlich nicht funktionieren. Der Pfiff, der Charme der Institution Thaiwiese droht so verloren zu gehen. Wie so vieles, was im Berlin in den 1990ern einfach so begonnen hat, ganz ohne Gesetzmäßigkeiten und Vorschriften. Susanne Messmer

Besserung ist auf dem Weg

Das Radgesetz ist beschlossene Sache

Die Welt ist am Donnerstag ein bisschen besser geworden. Das klingt pathetisch und ist natürlich bisher nicht durch Beweise belegt. Aber wer mit ein bisschen Optimismus durch die Stadt geht, für den ist die Verabschiedung des Radgesetzes – oder Mobilitätsgesetzes, wie es offiziell heißt – im Abgeordnetenhaus ein Grund zum Jubeln.

Das hat mit dessen Inhalt zu tun: Für Radfahrer und Fußgänger soll der Straßenverkehr sicherer werden, vor allem mit mehr und sichereren Wegen. Darüber hinaus ist die Idee, unterschiedliche Verkehrsarten – Busse und Bahnen, Leihräder und -autos, etc. – zusammen zu denken, ein wirklicher Paradigmenwechsel weg vom Ich-und-mein-Auto-müssen-alles-dürfen.

Das grundsätzlich Gute liegt aber in dem Werdegang des Gesetzes begründet: Ohne den massiven Druck von der Straße, konkreter: von den Radlern auf der Straße, hätte sich auch eine rot-rot-grüne Regierung diesen U-Turn nicht getraut. Erst die Forderungen von der – wie es so schön heißt – Stadtgesellschaft hat der autoverliebten SPD letztlich klargemacht, dass es ein Weiter-so in der Verkehrspolitik nicht geben kann. Das lässt hoffen, dass auch in anderen Bereichen die institutionalisierte Politik getrieben werden kann, die Stadt lebenswerter zu machen.

Profitieren von dem Mobilitätsgesetz werden als Erstes die Grünen, die für ihre Kernklientel etwas Wegweisendes erreicht haben – wenn denn das Gesetz bald sichtbare Spuren in der Stadt hinterlässt. Letztlich ist es aber ein Erfolg, den sich die gesamte Koalition anheften kann. Veränderungen in der Verkehrspolitik brauchen eben viel Zeit und sind oft hoch umstritten, weil sie an vermeintlich Unveränderbarem rütteln. Aber wenn sie einmal durchgesetzt wurden, entwickelt sich oft schnell die nötige Akzeptanz. Oder fordert heute noch jemand, durchs Brandenburger Tor wieder Autos fahren zu lassen, um schneller von Ost nach West zu kommen? Bis 2002 war der Pariser Platz kein entspannter Raum zum Flanieren, sondern eigentlich nur eine Straße.

Ähnlich dürfte es mit den gesicherten Radwegen sein: Wenn sie einmal in relevanter Zahl vorhanden sind, werden sich auch Autofahrer fragen, wie man sich denn früher überhaupt getraut hat, mit dem Rad durch die Stadt zu fahren. Das Neue, es kommt, wenn auch nur mit Tempo 30. Letzteres ist noch so ein Streitpunkt, der sich langsam, aber sicher durchsetzen wird.

Bert Schulz

Das Neue kommt – wenn auch nur mit Tempo 30

Bert Schulz über das am Donnerstag beschlossene Radgesetz

Krach im Anflug

Zweiter BER-Unter-suchungsausschuss

Jetzt kommt er also, der zweite Untersuchungsausschuss zum BER-Debakel. Am Donnerstag hat das Abgeordnetenhaus die Einsetzung beschlossen. Aber es ist nicht jenes Gremium, das die Fraktionen von CDU und FDP im Sinn hatten, als sie den Ausschuss im März beantragten. Ihr Ziel war es, inhaltlich nach vorn zu schauen, Kapazitätsfragen zu stellen und die bis 2020 geplante Fertigstellung des Pannenflughafens zu begleiten. Vor allem ging es den beiden Fraktionen darum, die Debatte über eine Offenhaltung des Flughafens Tegel – wofür die Berliner in einem nicht verbindlichen Volksentscheid 2017 gestimmt haben – im Parlament zu halten.

Das aber ist nicht die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses. Er soll Zurückliegendes aufklären. Um die anderen Fragen anzugehen, hätte es die Form eines Sonderausschusses gegeben, wie er im Brandenburger Landtag existiert. Doch dem wiederum fehlen die fast schon staatsanwaltschaftlichen Befugnisse eines Untersuchungsausschusses. Und davon versprachen sich CDU und FDP mehr Durchschlagskraft.

Der wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses bestätigte die rot-rot-grüne Koalition in ihrer Skepsis, dass der von der Opposition gewollte Fragenkatalog für den U-Ausschuss teilweise unzulässig war. Doch einen Rückzieher konnten CDU und FDP da nicht mehr machen.

Tatsächlich könnte zumindest für die Union der Ausschuss zum Eigentor werden. Denn die Frage, warum sich die Eröffnung des BER immer wieder verzögert hat und das Projekt teurer wurde, ist ja interessant. Aber die Union hat ja von 2011 bis 2016 mitregiert, saß im Flughafen-Aufsichtsrat und hätte Einfluss nehmen können.

Die FDP wiederum hat sich beim Ausschussvorsitz verkalkuliert: Die Liberalen gingen davon aus, dass der mit medienwirksamen Auftritten verbundene Posten an sie gehen würde. Wie sich schnell klärte, ist aber die SPD an der Reihe. Dass für die CDU Stefan Evers den stellvertretenden Vorsitz übernimmt, macht die Ausschussarbeit nicht leichter. Evers ist zwar der zentrale Mann der Christ­demokraten für das Thema BER, aber zugleich ihr Generalsekretär und damit qua Amt auf Krawall programmiert.

Stefan Alberti