: „Achse der Willigen“: Parallelensind wie immer nicht beabsichtigt
Österreichs schwarz-blaue Regierung fühlt sich von Horst Seehofer verstanden. Sie verfolgt schon länger eine rigide Asylpolitik und unterscheidet zwischen „Dublin-Fällen“ und „illegalen Fremden“
Aus Wien Ralf Leonhard
Mit seiner Begeisterung über eine „Achse der Willigen“, die von Berlin über Wien nach Rom reiche, hat sich Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in die Nesseln gesetzt. Die Parallele zu den Achsenmächten im Zweiten Weltkrieg war wohl nicht beabsichtigt; die Bundeskanzlerin will sich nicht auf einer solchen Achse verortet sehen. Bei Horst Seehofer fand sich Kurz aber verstanden: „Wir sind froh, dass wir mit Ihnen als deutschem Innenminister einen starken Partner haben.“ Nicht geäußert hat sich Kurz zu Seehofers „Masterplan“.
In Wien rechnet man damit, dass bald mehr Flüchtlinge an der Grenze zu Bayern abgewiesen werden könnten. Derzeit seien es durchschnittlich 13 pro Tag, wie Christoph Pölzl, Sprecher des österreichischen Innenministeriums, weiß. Bis 10. Juni wurden in diesem Jahr 2.060 Fälle registriert. Österreich prüft, ob es sich um „Dublin-Fälle“ handelt, also Leute, die anderswo in der EU erstmals um Asyl angesucht haben, oder um „illegale Fremde“, also Ausländer, von denen kein Asylantrag bekannt ist. „Wir prüfen dann, wo das Erstaufnahmeland ist, und schieben sie dorthin zurück“, so Pölzl, der bestätigt, dass die Dublin-Verordnung in Österreich konsequent Anwendung finde. Ist die Abschiebung in ein Erstaufnahmeland nicht möglich oder lässt sich dieses nicht eruieren, muss das Asylverfahren in Österreich stattfinden. 2017 wurden 12.100 Fremde abgeschoben oder zur „freiwilligen Ausreise“ überredet. Darunter 3.800 Dublin-Abschiebungen.
Österreich pflegt in der Frage von Grenzkontrollen, der Registrierung und Identifizierung von Migranten grundsätzlich eine enge strategische und operative Abstimmung mit Deutschland. Dazu gehören gemeinsame Schwerpunktaktionen, gemeinsame Zugkontrollen und gemeinsame Kontrollen von Güterzügen bei der Kontrollstelle Seehof/Brenner.
Michael Genner, Geschäftsführer der NGO Asyl-in-Not, sieht Österreich als „Gratisanhängsel der deutschen Verschärfungen in der Asylpolitik“. Er beobachtet Bemühungen, das Land als Migrationsziel immer unattraktiver zu machen. Seit die neue Regierung am Werk ist, habe sich gezeigt, dass die erstinstanzlichen Asylbescheide „noch ungeheuerlicher“ würden. Da werde etwa als Ablehnungsgrund angegeben: „Alle Afghanen lügen.“ 42,5 Prozent der Bescheide würden in zweiter Instanz aufgehoben. Die Regierung plane, die Verträge mit unabhängigen Beratern wie der Diakonie zu kündigen und eine eigene Agentur zu schaffen, so Genner. „Dann werden noch mehr zu uns kommen.“
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