LESERINNENBRIEFE
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Missbrauch religiöser Autorität

■ betr.: „Zu viel Punk in Wittenberg“, taz vom 9. 10. 12

Friedrich Schorlemmer hat ganz offenbar den Schuss nicht gehört. Natürlich muss ein Protest gegen den orthodoxen Patriarchen, der Wahlkampf für Putin macht, in der Kirche stattfinden. Und nicht „in einer Badeanstalt oder sonst wo“, wie Schorlemmer schimpft. Es geht um den Missbrauch von religiöser Autorität. Wo könnte der treffender thematisiert werden? Pussy Riot wiederholt das „religiöse Rowdytum“ des Patriarchen (für das freilich nur die Musikerinnen verurteilt wurden), um es als solches zu kennzeichnen. Und Schorlemmer? Ergreift in seiner Blindheit die Putin/Patriarchen-Partei.

HENNING BLEYL, Bremen

Parallelen sind nicht zu übersehen

■ betr.: „Zu viel Punk für Wittenberg“, taz vom 9. 10. 12

Möglicherweise haben die Herren, die sich gegen die Verleihung des Lutherpreises an Pussy Riot aussprechen, vergessen, dass es Martin Luther war, der seine 95 Thesen an die Tore der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen hat, in welchen er sich klar gegen die Geschäfte der Kirche gewandt hat. Unvergessen auch Luthers Ausspruch im Jahre 1521 „Daher kann und will ich nichts widerrufen“ vor dem Reichstag in Worms. Und weiter, zur Erinnerung: Jesus von Nazareth wurde wegen seines Aufrührertums gegen die damals herrschende „Regierung“ zum Tode durch das Kreuz verurteilt. Ich denke und das mag dreist erscheinen: die Parallelen zum Auftritt von Pussy Riot sind nicht zu übersehen, nur eben „im Gewand“ des Jahres 2012. Außerdem, und das ist ein sehr wichtiger Faktor, gibt diese Auszeichnung einen gewissen Schutz für Pussy Riot vor weiteren politischen Repressalien des Putin-Regimes. SIBYLLA M. NACHBAUER, Erlangen

Respekt für den Weitblick

■ betr.: „Chaotisch vermummte Weiber“, taz vom 11. 10. 12

Respekt dem Stadtrat der Lutherstadt Wittenberg für dessen Weitblick; denn offenbar erkennt man dort die historische Linie zwischen Martin Luthers Kritik am Katholizismus seiner Zeit und der Kritik am staatskirchlichen Götzendienst im heutigen Russland. Welch ein Luther’scher Mut gehört dazu, in einem autokratischen, pseudodemokratischen Polizeistaat, der von der russisch-orthodoxen Kirche getragen wird, öffentlich das freie Wort zu ergreifen. Ich kann an dem Text, der in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale von den Frauen der Band „Pussy Riot“ vorgetragen wurde, nichts theologisch Anstößiges entdecken. Natürlich ist mir als evangelischem Christ die Anrufung Marias fremd; aber wenn doch, dann genau so! Hat nicht auch die Mutter Jesu gebetet „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen“ (Magnificat)? Schluss mit dem Götzendienst einer unseligen Verquickung von Thron und Altar, die wir in Deutschland Gott sei gedankt überwunden haben! Die vermeintliche Verletzung religiöser Gefühle kann ich in einem Staat, der Menschen noch im Jahr 2012 in Straflager sperrt, nicht als Argument gelten lassen.

Und was die Kritik Friedrich Schorlemmers am Namen der Band angeht: War es nicht gerade Martin Luther, der deutliche Worte für die Geschöpflichkeit des Menschen fand? Mit allem, was dazu gehört. THOMAS MÄMECKE, Pfarrer, Datteln

Bleiben zwei Fragen

■ betr.: „Ab in die Wutbox mit euch!“, taz vom 8. 10. 12

Nach Lektüre von Kübra Gümusays Kolumne mit der Schilderung des Flug-langen netten und ausführlichen Gesprächs mit dem unsympathischen Waffenlobbyisten (oder fand sie ihn sympathisch, bloß nicht, was er tut?), bleiben nur zwei weitere Fragen offen: Hätte sie sich so nett auch mit den eingangs zitierten Hasspredigern diverser Couleur unterhalten? Vor allem aber: Wieso hatte sie kein Buch dabei? SILKE KARCHER, Berlin