NATO-Schatzmeister gegen CDU-Lautsprecher

taz geht wählen - die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um die Mandate? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Minden-Lübbecke I

Minden-Lübbecke I?

Bei einer Gebietsreform 1976 wurden die Altkreise Minden und Lübbecke vereint. Bis auf Bad Oeyenhausen zählen alle Städte und Gemeinden auch zum nord-östlichsten Wahlkreis Nordrhein-Westfalens. Der Volksmund spricht vom „Mühlenkreis“: 42 Wind-, Wasser- und Rossmühlen im Landkreis wurden im Zuge eines Erhaltungsprogramms seit Ende der 70er Jahre restauriert. Nun können Einheimische und Touristen jedes Jahr von März bis Oktober bei Mahl- und Backtagen ihre eigenen Platenkuchen, Waffeln oder Schmalzbrote kreieren.

Wer verteidigt den Wahlkreis?

Lothar Ibrügger. Und zwar nicht zum ersten Mal: Im kommenden Jahr will der Sozialdemokrat sein 30-jähriges Jubiläum als Bundestagsabgeordneter feiern. Ob ihm das gelingt, ist fraglich: Zwar wurde die SPD bei den Wahlen 1998 und 2002 mit deutlichem Vorsprung stärkste Kraft in Minden-Lübbecke. Bei der Landtagswahl gewann allerdings die CDU. Platz 45 auf der Landesliste wird jedenfalls nicht für Ibrüggers Einzug in den Reichstag reichen. Dort brachte der selbstständige Stadt- und Regionalplaner es 1998 immerhin zum Staatssekretär im Verkehrsministerium. Diesen Posten gab er zwei Jahre später wieder auf – um sich mehr um seinen Wahlkreis zu kümmern. Geblieben ist ihm ja immer noch das Amt des Schatzmeisters der Parlamentarischen Versammlung der NATO.

Wer will den Wahlkreis?

„Besser für den Mühlenkreis“ findet sich Steffen Kampeter (CDU). Ökosteuer? „Muss weg!“, findet der Diplom-Volkswirt. Der Bundeskanzler lädt anderthalb Monate vor der Wahl zum Tag der offenen Tür? „Gesetzeswidrig“, sagt Kampeter. Pistolen-Skulptur mit verknotem Lauf vor dem Kanzleramt? „Dümmlich-durchsichtige Inszenierung“, meckert der Christdemokrat. Ach ja, als Vorsitzender des Dialogforums Musikwirtschaft setzt sich Kampeter für die Stärkung von Rock- und Popmusik in der deutschen Kulturlandschaft ein. Nicht weiter verwunderlich also, dass der CDU-Lautsprecher ein Feind der Stille ist. Mit Platz 19 auf der Landesliste ist er gut abgesichert.

Der große Außenseiter?

Fehlanzeige! Wenn überhaupt, dann der ehemalige Büroleiter von Guido Westerwelle: Dirk Schattschneider (FDP). „Die Freiheit wird oft nur da vermisst, wo sie fehlt“, ist sein Motto. In vier Jahren bei der Bundeswehr wurde er Oberstleutnant der Reserve. Mittlerweile ist er Bundesratskoordinator für die Liberalen. Dieser Beschäftigung wird er auch weiterhin mit großem Engagement nachgehen können: Platz 27 auf der Landesliste reicht nicht für den Einzug ins Parlament. Ohne Listenplatz und Chance auf ein Bundestagsmandat müssen Heinrich Stenau von den Grünen und Lutz Schmelzer von der Linkspartei antreten.

Die taz-Prognose?

Ibrügger und Kampeter ziehen wieder in den Bundestag ein. Das SPD-Urgestein holt knapp das Direktmandat, der CDU-Musikfan zieht über die Liste ein. Alle anderen haben wieder Zeit, Schmalzbrote zu backen.

SEBASTIAN KORINTH