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Tosender Applaus und Jubel

„Im weißen Zimmer ist alles Projektion“, taz vom 26. 5. 18

Es gehört schon einiger Mut dazu, ein absolut gelungenes Theaterstück wie Müllers und Rinnerts „Aids Follies“ im Kontext einer Rezension derart negativ zu besprechen. Freunde, Bekannte und ich haben den Abend der Premiere des Stücks gänzlich anders erlebt: Die berührende Nähe zu den dargebotenen Inhalten, Künstlern und Schauspielern, die außergewöhnliche Musik des Stücks sowie das entsetzte Kopfschütteln über schier unglaubliche, neue Informationen zu dem Thema Aids kreierten noch lange nach unserer Rolle als begeisterte Zuschauer an diesem Abend einen regen Gesprächsaustausch.

Umso verstörender war es für mich als Leserin der taz, Ihre Kritik zu „Aids Follies“ zu lesen. Eine didaktisch angelegte „Geschichtsstunde“: Ihr Bezug zum Titel des Werks und zu der Tatsache, dass das Stück aufgrund der Referenz zu folle und Herrn Ziegfelds „Follies“ als pure Komik gedacht war, ist meiner Ansicht nach nicht nachvollziehbar und wird auf abstruse Weise zum Kritikpunkt. Denn in „Aids Follies“ spielt die raffinierte Interdependenz von komisch-lustigen Elementen, Ironie und Comic Relief eine wesentliche Rolle. Das Stück bewegt sich, in hinreichender Balance, genau zwischen diesen Aspekten und bedient den Charakter der Revue zugleich äußerst adäquat.

Eine Belehrung mit der Darbietung und Konfrontation neuer Informationen zu verwechseln, ist verheerend und wird dem Werk in keiner Weise gerecht. Dass das Pentagon einst die Intention hatte, das Virus als mögliche Massenvernichtungswaffe einzusetzen, oder die schwierige Rolle Deutschlands in Afrika sind meiner Meinung nach elementare Punkte, deren Relevanz den Bogen bis in die heutige Aktualität des Themas spannen und sich gekonnt mit der Darstellung und dem abstrakten, äußerst interessanten Bühnenbild verzahnen.

„Aids Follies“ ist ein eigenständiges Stück, das sicher keinen Vergleich zu Rosa von Praunheim oder René Pollesch sucht und im Hinblick auf eben genannten Fakt auch keinen Vergleich braucht. Wohl aber das Erwähnen der hervorragenden Künstler!

Ich vermisse in Ihrer Rezension das genaue Betrachten und Bewerten der herausragenden Gesangs- und Schauspielkunst, das Eingehen auf die spektakuläre Musik von Genoël von Lilienstern und auf die außerordentliche Vielfalt des Narrativs. Hierbei rankt sich die Dramaturgie nur zu Recht um die Figur des sogenannten Patienten Zero, der Anker für die Zuschauer ist, dessen Geschichte immer wieder Distanz und Nähe erzeugt und so auf vielen verschiedenen Ebenen zutiefst berührt. Während Sie sich somit am Ende der Aufführung im Schatten Ihrer Negativ­tirade aufhielten, gab es jubelnden, ja sogar tosenden Applaus für ein Werk, das aufgrund seiner Abstraktion immer wieder neue Zugänge zu einem ernsten Thema schafft.Nora Wünsch, Köln

Fast perfekt inszeniert

„Im weißen Zimmer ist alles Projektion“, taz vom 26. 5. 18

Huch, darf ich das Musiktheater „Aids Follis“ jetzt noch gut und beeindruckend finden, nachdem es so hochprofessionell von Toby Ashraf auseinandergepflückt wurde? Gelte ich dann als zu leicht zu befriedigen? Ich sah und hörte die Inszenierung, die fast perfekt über die Bühne ging, sogar zweimal. Bei der Finissage waren die Sitze mit Publikum voll besetzt, und es gab begeisterten Applaus.

Den roten Faden spann das Leben des Gaetan Dugas, und vor allem die Musik war das verbindende Element des Stücks, sodass es keineswegs nur eine Folge von Abtritten und Auftritten war, wie Toby Ashraf meint. Und wer sich wie ich nicht täglich mit Aids beschäftigt, der reichten die Erzählungen und Darstellungen dazu auf der Bühne.

Zur Musik sagt der Autor gar nichts, außer einer fast desavouierenden Erwähnung des Komponisten und der Frauenband am Rande. Dabei war die Komposition von Genoël von Lilienstern vielseitig und elementar für die Aufführung. Und wer genau hinhörte und hinschaute, konnte nur bewundern und sich daran erfreuen, mit welcher Lust und Energie Misha Cvijovic am Synthesizer, Sabrina Ma am Schlagzeug und Beltane Ruiz am Kontrabass die Musik lebendig machten. Also, für mich war „Aids Follis“ ein besonderes Erlebnis. Astrid Rühle, Bedheim

Häuser denen, die sie brauchen

„Aktivist*innen besetzen leeres Haus: 40 Wohnungen übernommen“, taz.de vom 20. 5. 18

Häuser denen, die sie brauchen, dieser Spruch dürfte einigen noch bekannt sein aus vergangenen Zeiten.

Und was hat sich geändert? Nichts, gerade in Zeiten, wo wir eine Mietpreisbremse haben, die keine ist, gerade in Zeiten, wo der Bau von Luxusimmobilien Hochkonjunktur hat, wo sozialer Wohnungsbau kaum noch vorhanden ist, sind solche Aktionen wie Hausbesetzung wichtig, auch wenn sie nur von symbolischer Art sind!

Es ist wichtig zu zeigen, dass es Menschen mit einem kleinen Geldbeutel gibt, die sich diese Luxusbauten nicht leisten können, auch dass man deutlich zeigt, nur weil ich kein Geld habe, bin ich kein schlechterer Mensch und hab dasselbe Recht, eine vernünftige Wohnung zu bewohnen, wie diese Menschen mit dem goldenen Löffelchen!

Darum Häuser denen, die sie brauchen! René Osselmann, Magdeburg