Weiterbilden, weiterkommen

Wer arbeitslos ist, erlangt mit Umschulungen und Fortbildungen bessere Chancen auf einen Job. Doch solche Qualifizierungen will niemand zahlen. Viele Unternehmen hingegen lassen es sich auch etwas kosten, dass ihre Angestellten dazulernen

VON VOLKER ENGELS

Arbeitslose, die sich in Fortbildungen und Umschulungen weiterqualifizieren, haben später bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt: Das belegt eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, die tausende Daten der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet hat.

„Während der Weiterbildung sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmer eine neue Stelle antreten, weil sie sich in dieser Zeit seltener bewerben“, erläutert Stefan Bender vom IAB die Untersuchung. Langfristig gebe es aber „positive Beschäftigungseffekte“. Die Wahrscheinlichkeit, acht Jahre nach der Umschulung eine Arbeit zu haben, steigt um 15 bis 20 Prozentpunkte. Bemerkenswert: Nicht nur lange andauernde Fortbildungen führen zu positiven Effekten, auch Maßnahmen, die nicht länger als ein halbes Jahr dauern, können zum Erfolg führen. „Die Untersuchung belegt, dass sich besonders Bildungsinvestitionen für kürzere Fortbildungen auszahlen“, bilanziert Bender.

Besonders für ostdeutsche Frauen, die an einer Fortbildung oder Umschulung teilgenommen haben, stieg die Chance, eine Beschäftigung zu finden, deutlich an. „Wir können aus den Daten allerdings nicht für den gesamten Beobachtungszeitraum ablesen, ob die Frauen in einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit oder einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigt waren“, so Bender. Sicher ist, dass die positiven Beschäftigungseffekte für ostdeutsche Männer deutlich geringer ausfielen: „Viele Arbeitslose in Ostdeutschland wurden in der ersten Hälfte der 90er-Jahre in Bauberufe umgeschult.“ Doch genau in diesem Bereich haben sich die Beschäftigungschancen erheblich verschlechtert, nachdem der „Bauboom geplatzt war“. Das zeigt, wie schwierig es ist, mit langwierigen Umschulungsmaßnahmen passgenau auf die Zyklen des Arbeitsmarktes zu reagieren.

Schwierig ist aber noch etwas anderes: „Im Moment haben wir das Problem, dass es die klassische Umschulung fast gar nicht mehr gibt“, sagt Johannes Jakob vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) habe sich aus dem Bereich genauso zurückgezogen wie der Bund und die Länder. „Da klafft gerade ein Vakuum, weil sich niemand zuständig fühlt“, kritisiert der Arbeitsmarktexperte. Unternehmen würden nur sehr speziell und in engen Grenzen auf die eigenen Bedürfnisse bezogen weiterbilden. Aber auch Angestellte oder Arbeiter, brauchten „eine zweite Chance“ für einen neuen Beruf. Besonders dann, wenn sie in einem „veralteten Beruf“ ohne Zukunft arbeiten.

Doch auch wer einen Arbeitsplatz hat, ist gut beraten – manchmal sogar verpflichtet –, in die eigene Weiterbildung zu investieren: „Weiterbildung spielt in unserem Unternehmen eine herausragende Rolle“, sagt Stefan Ohletz vom Volkswagen-Konzern. Im Tarifvertrag der VW-Tochter Auto 5000 GmbH, deren Mitarbeiter den VW Touran anfertigen, ist sogar eine wöchentliche Qualifizierungszeit von drei Stunden verbindlich festgeschrieben. Eine Hälfte der dafür aufgewendeten Arbeitszeit bezahlt VW, die andere steuern die Mitarbeiter bei.

„Es gibt eine Tendenz zu kürzeren Seminaren“, sagt Beatrice Kuhn von der Volkswagen Coaching GmbH, die den Weiterbildungsbereich von VW organisiert. Veranstaltungen, die früher vier bis fünf Tage gedauert hätten, gingen heute in zwei oder drei Tagen über die Bühne. Die Seminarpakete würden immer individueller zugeschnitten. „Jeder Mitarbeiter muss, soll und darf sich weiterbilden“, sagt Kuhn. An Nachwuchsführungskräfte richtet sich das Junior-Management-Programm (JuMP): Innerhalb von zwei Jahren werden angehende Führungskräfte zum Beispiel in den Bereichen Teamarbeit, Selbst- und Konfliktmanagement geschult. Die Seminare finden während der Arbeitszeit statt und sind kostenlos. Grundsätzlich, so die Sprecherin, gebe es einen „Trend zu überfachlichen Qualifikationen“.

Die Bedeutung von Weiterbildung unterstreicht auch Heidi Pongratz vom Zentrum für Weiterbildung und Wissenstransfer (ZWW) an der Universität Augsburg: „An unseren zweijährigen Weiterbildungsstudiengängen nehmen Ingenieure oder Naturwissenschaftler teil, die sich betriebswirtschaftlich fit machen wollen“, sagt Heidi Pongratz vom ZWW. Besonders gefragt: offene Seminare, die sich vor allem an Fach- und Führungskräfte wenden. „Bei diesem Seminartyp geht es vor allem darum, die so genannten Softskills zu schulen“, erläutert die diplomierte Kauffrau. Rund 1.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen besuchen jährlich die zweitägigen Veranstaltungen, um zum Beispiel Neues zu den Themen Präsentationstechniken, Rhetorik oder Projektmanagement zu lernen. „Zu den Veranstaltungen kommen Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und aus unterschiedlichen Führungshierarchien.“ Es sei weniger das Zertifikat, das Fach- und Führungskräfte in die Seminare treibt: „Wer sich weiterbildet, gewinnt in der Regel an Sicherheit“, so die ZWW-Programmleiterin. Ein weiterer wichtiger Aspekt: „Die Teilnehmer lernen unglaublich viel voneinander.“

Eine ganz neue Bedeutung bekommt die Idee permanenter Weiterbildung und lebenslangen Lernens, wenn die Vorschläge von Klaus Zimmermann Wirklichkeit werden. Kürzlich hatte sich der DIW-Chef dafür ausgesprochen, den Renteneintritt auf das 70. Lebensjahr zu verschieben. Da bleiben dem 16-jährigen Schlosser, der mit 70 in Rente geht, fast 55 Jahre Zeit für die berufliche Weiterbildung.