das portrait: Eltje Böttcher flucht gern auf Klingonisch
Im Studium hatte Eltje Böttcher immer ein schlechtes Gewissen, weil sie heimlich klingonisch lernte. Obwohl sie sich eigentlich auf Altgriechisch-Prüfungen vorbereiten musste, beschäftigte sie sich damit, wie sie am effektivsten Klingon*innen beleidigen könnte. In der fiktionalen Alien-Sprache aus „Star Trek“ ist das Fluchen die höchste Kunst. Die ersten Hör-CDs ihres Klingonisch-Sprachkurses beschäftigten sich damit, wie Klingon*innen am effektvollsten ihr Gegenüber beleidigen.
Die gängigste Beleidigung? „petaQ! – Verräter“, sagt Böttcher, ausgesprochen wie ein kehliges Prchatack. „Am Klingonischen war mir schon immer sehr sympathisch, dass es keine Höflichkeitsformen gibt.“ Das höchste der Gefühle sei zur Begrüßung ein aggressiv gewürgtes „nugnecH“, sprich Nuuk-nech, übersetzt: „Was willst du?“, ein unnützes „Hallo“ gebe es erst gar nicht.
Für den Erstkontakt ist die Hannoveranerin also bestens gerüstet. Auch wenn die selbstständige Lektorin, Lehrbeauftragte für Latein an der Uni Hannover und Sprachwissenschaftlerin leider zu wenig Zeit hat, um Klingonisch fließend zu sprechen. Denn für außerirdische Denkweisen sei die Sprache absichtlich komplex und somit sehr schwer zu lernen. Aber immerhin könne man mittlerweile per Skype klingonische Sprach-Tandems finden.
Seit ihrem Studium der klassischen lateinischen Philologie und Philosophie in Kiel spricht die gebürtige Schleswig-Holsteinerin aus Eckernförde fließend Latein. Ihr Professor hielt Vorlesungen auf Latein, damals wuchs auch ihr Interesse, vermeintlich tote Sprachen wiederzubeleben. Noch während ihres Studiums organisierte Böttcher Lateinsprechprojekte an Schulen. Heute führt sie Schulklassen lateinisch sprechend durch Museen und hält Vorträge über Vorzüge und Hintergründe von Elbisch, Klingonisch und Dothraki. Kunstsprachen in Fantasy- und Science-Fiction-Kulturen sind aus ihrer Sicht dabei auch mangels vieler Konversionspartner*innen keine Zeitverschwendung.
Besonders deutlich machten das die fiktionalen Sprachen von Fantasy-Papst J. R. R. Tolkien, dem Erfinder des Herr-der-Ringe-Universums. Entgegen der logischen Annahme, dass Tolkien erst seine Geschichte und dann verschiedene Sprachen für seine fiktionalen Völker entwickelte, war es genau andersherum. Tolkien hatte zunächst Philologie und Linguistik studiert. „Er hatte nach dem Studium all dieses Wissen im Kopf und wusste nicht, wohin damit“, sagt Böttcher. Er habe dann kurzerhand eine authentische Kunstsprachenfamilie entwickelt, in der er alle linguistischen Regeln ausprobiert habe. Ein besonderer Fan sei er etwa von der Vokalverschiebung gewesen. Sprache verändere sich aber erst in der Folge von historischen Ereignissen, „deswegen fing Tolkien an, Ereignisse mitzuerfinden, um seine Spracherfindungen plausibel zu machen“.
Darum sei Elbisch für Böttcher als klassische Philologin eigentlich am interessantesten. Tolkien habe mal ein perfektes 17-zeiliges Gedicht geschrieben, aus dem sich alle Subjektivierungen, Vokalverschiebungen und Verben-Bildungen linguistisch ableiten lassen. Trotzdem sei ihr Klingonisch lieber, sagt Böttcher – „es gibt so komische Elbisch-Fans, ich kann mich mit ‚Star Trek‘-Fans einfach besser unterhalten.“ Aber das sei letztlich eine Geschmacksfrage: „Ich mag auch die russische Aussprache lieber als die Französische“, sagt Böttcher, nur um sich dann mit kehligem Klingonisch zu verabschieden: „Qapla!“ Gareth Joswig
Vortrag: „Elbisch? Klingonisch? Kunstsprachen in Fantasy und Science-Fiction-Kulturen“, 18.30 Uhr, Museum August Kestner, Hannover
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen