SONJA VOGEL LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Mobile Seelentöter, Marke Saurer

Staro Sajmiste, die Alte Belgrader Messe, liegt am Ufer der Save. Viel steht nicht mehr auf dem Gelände – ein paar Pavillons und der modernistische Messeturm aus den 30ern. Nichts erinnert daran, dass Staro Sajmiste den Nazis ab 1941 als KZ diente.

Die baufälligen Untergeschosse des Turms nutzen KünstlerInnen als Ateliers. Früher war dort die Schreibstube. Jeder der zeitweise 30.000 Lagerinsassen musste sich hier melden. Im sozialistischen Jugoslawien hatte man die Räume den Kunstschaffenden gegeben, um dem Ort seinen Schrecken zu nehmen.

Doch noch immer erzählen sich die BewohnerInnen der ehemaligen Länderpavillons, die unter der deutschen Besatzung als Häftlingsbaracken dienten, Legenden: Wer hat bei der Gartenarbeit Knochen gefunden? Demnächst will ein Künstler am ungarischen Pavillon graben – 70 Jahre nachdem der letzte Gaswagen vom Messegelände gefahren ist, vermutet man hier ein Massengrab ermordeter Roma. Von März bis Juni 1942 nutzen die Nazis die mobile Gaskammer der Marke Saurer, in der die Motorabgase direkt in den hinteren Teil geleitet wurden, um die Menschenfracht zu ersticken. 50 Personen pro Fahrt. Irgendwo zwischen der Pontonbrücke und den Gruben am Berg Avala wirkte das Kohlenmonoxid. Wann genau, das weiß man nicht, die Saurer waren luft- und blickdicht verschlossen. „Seelentöter“ heißen sie darum im Volksmund.

Mehr als 7.000 Menschen wurden so ermordet. Effizient. Leise. Verantwortlich für die Entwicklung der Gaswagen war der SS-Standartenführer Walther Rauff (Heinz Schneppen: „Walther Rauff. Organisator der Gaswagenmorde“. Metropol, 2012), ab 1941 Gruppenleiter Technik im Reichssicherheitshauptamt. Nach Kriegsende floh Rauff nach Chile, 1984 starb er unbehelligt in Santiago. Das KZ Staro Sajmiste ist fast vergessen. Investoren gieren nach dem wertvollen Baugrund. Ein Gedenkort dagegen ist nicht geplant. Dabei wäre der nötig. Erst 2004 beschloss Serbien die Rehabilitierung der Tschetniks, der faschistischen Kollaborateure, und die neue Rechte ist auf dem Vormarsch. Immerhin wird nun erstmals gesammelt, dokumentiert und online aufgearbeitet, was bekannt ist. Getragen wird das Projekt ausgerechnet von KünstlerInnen. Sie wollen dem Ort den Schrecken nicht nehmen.

■ Die Autorin ist ständige Mitarbeiterin des Kulturressorts