Kleines Weingut, große Weine

Der Franzose Virgile Joly und die Renaissance der Languedoc-Weine. Porträt eines kosmopolitischen Winzers. Ein Quereinsteiger, der neue Qualitätsweine kreiert. Sein Motto: „Bei aller Moderne ist und bleibt Weinbau ein Handwerk“

VON MARIE URDIALES

Als Virgile noch ein kleiner Junge war, wollte er Bauer oder Präsident werden. Heute ist er Mitte dreißig und Winzer. Ob er als Bauer oder Präsident den gleichen Erfolg gehabt hätte, fragt er sich schon lange nicht mehr. Zu sehr ist sein Leben inzwischen auf diesem kleinen Gut in Saint-Saturnin-de-Lucian im Languedoc-Roussillon verwurzelt.

Dabei hätte es ihn genauso gut ganz woandershin verschlagen können. Denn anders als die meisten Winzer hier stammt Virgile Joly nicht aus einer Winzerfamilie, hat er kein Weingut geerbt, und aufgewachsen ist er hier auch nicht. Eine Ausbildung, die sich so sehr vom traditionellen Werdegang südfranzösischer Weinbauern unterscheidet, dass er allein daran hätte scheitern können, hat er auch noch hinter sich: Mit einem Diplom in Biologie, einer universitären Ausbildung in Management und einem nationalen Abschluss als Önologe galt der junge Mann in der Branche lange als Unikum. Dem fügte er noch etwas hinzu, was von den oftmals konservativen Kollegen als nahezu blasphemische Zusatzkompetenz angesehen wird: einen Auslandsaufenthalt. Ausgerechnet nach Chile zog es ihn, in das Land, dessen Konkurrenz heute den südfranzösischen Winzern so schwer zu schaffen macht und wo dem Wein – oh Graus ! – Holzspäne beigefügt werden. In einem Land, wo echte Eichenfässer über lange Monate hinweg den edlen Tropfen das erlesene Aroma verleihen, fast schon eine Gotteslästerung!

Virgile Joly arbeitete ein knappes Jahr in Südamerika. „Ich habe einen Weinbau kennen gelernt, der weniger traditionell, dafür fast schon analytisch ist. Teilweise computergesteuert. Die Art und Menge von Holzzusätzen wird genauso abgewogen wie hier die Reben“, erzählt er. „Ich war oft überrascht, manchmal entsetzt, aber ich habe auch vieles gelernt, was ich heute noch anwende.“

Zum Beispiel den ökologischen Anbau, den er als einer der Ersten auf den Boden Languedocs importierte. Im Jahr 2000 war ihm klar: Bei aller Moderne ist und bleibt Weinbau ein Handwerk, das er am liebsten dort ausüben wollte, wo seit einigen Jahren eine wahre Renaissance im Gange war. Galt Languedoc-Roussillon lange Zeit als eine Gegend, in der hauptsächlich piquette, billiger Tischwein, produziert wird, haben junge Winzer die Region inzwischen auf den Rang Bordeauxs und Burgunds gehievt. Coteaux du Languedoc und erstklassige Landweine – die Qualität zieht inzwischen auch Berühmtheiten an: Gérard Depardieu und Pierre Richard bauen hier ihren Wein an. Allerdings ohne die vielen Schwierigkeiten, die Virgile Joly begleiteten.

Diese schildert, witzig und lebhaft, der britische Schriftsteller Patrick Moon, der dem jungen Winzer in seinem ersten Jahr auf Schritt und Tritt folgte. „Virgile’s vineyard. A year in the Languedoc wine country“ erzählt von der Existenzgründung des jungen, atypischen Winzers und machte ihn in ganz Großbritannien berühmt. Heute, knapp fünf Jahre später, gilt Virgile Joly als einer der jungen Pioniere im wiedererwachten Languedoc: Er bearbeitet wenig Land – gerade mal 80 Hektar – betreibt umweltgerechten Anbau und produziert wenig, dafür aber sehr erlesen. Als einer von wenigen macht er einen Carthagène, den einst von den Griechen importierten süffigen Aperitif- oder Dessertwein.

Weinkenner handeln Joly oft noch als Geheimtipp, und irgendwie sind alle froh, dass er nicht Präsident geworden ist.

Domaine Virgile Joly 22, rue du Portail, 34725 Saint-Saturnin-de-Lucian. Empfehlung: „Saturne“, 2002, Vin de Pays de l’Hérault (rot, Carignan, Grenache, Cinsault), „Virgile“, 2002, Vin de Pays de l’Hérault (weiß, Grenache)