Ankara droht der EU mit Rückzug

Sollten der Türkei neue Bedingungen für die Verhandlungen gestellt werden, werde man das Beitrittsgesuch zurücknehmen, sagt Außenminister Gül in einem Interview

BRÜSSEL taz ■ Während sich die EU-Außenminister gestern bei ihrem Treffen in Newport nicht auf eine gemeinsame Linie in der Türkeipolitik einigen konnten, sendeten sie ein ermutigendes Signal an Kroatien. Noch im September soll eine Expertengruppe prüfen, ob das Land die Voraussetzungen für Beitrittsverhandlungen erfüllt. Ursprünglich hätten die Gespräche schon im März beginnen sollen, waren dann aber wegen mangelnder Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verschoben worden.

Der Ton zwischen Ankara und der EU wird immer gereizter. Der ebenfalls in Newport anwesende türkische Außenminister Abdullah Gül sagte in einem am gleichen Tag vom Magazin The Economist veröffentlichten Interview, die Türkei werde ihr Beitrittsgesuch zurückziehen, falls die EU neue Bedingungen für den Verhandlungsbeginn nachschiebe oder eine privilegierte Partnerschaft als gleichberechtigtes Ziel in den Verhandlungsrahmen aufnehme. „Sollte die EU etwas anderes als eine volle Mitgliedschaft anbieten oder neue Forderungen stellen, werden wir gehen.“ Ein solcher Rückzug werde endgültig sein.

Bei den Beratungen am Donnerstag hatte keiner der 25 Außenminister den Verhandlungsbeginn am 3. Oktober grundsätzlich in Frage gestellt. Der Verhandlungsrahmen muss aber noch einstimmig beschlossen werden. Güls Erklärung, trotz Ausweitung der Zollunion auf die 10 neuen EU-Länder dürften auch künftig keine Schiffe und Flugzeuge aus dem griechischen Teil Zyperns türkisches Territorium ansteuern, hatte die Stimmung weiter verschlechtert. Allerdings konnten sich die Minister auch hier nicht auf eine gemeinsame Reaktion einigen.

Erweiterungskommissar Rehn erwartet nächste Woche eine gemeinsame Reaktion der EU auf die türkischen Äußerungen. Auch er glaubt aber, dass die Verhandlungen am 3. Oktober planmäßig beginnen werden. Österreichs Außenministerin Plassnik setzte sich während des Treffens entschieden dafür ein, eine privilegierte Partnerschaft als Alternative in den Verhandlungsrahmen aufzunehmen. Damit steht Wien aber allein. DPS