die woche in berlin
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In Sachen Führung wird es für Michael Müller bei der SPD etwas enger, während bei der CDU der Oppositionsgeist wächst. Auch für ErzieherInnen soll es in sozialen Brennpunkten einen Bonus geben. Im Märkischen Museum zeigt man eine neue Berlin-Schau. Und das Thema Hausbesetzung hält den Senat weiter auf Trab

Eine Frage des Personals

SPD schwächt Müller, CDU kriegt neuen Chef

Es spitzt sich zu in der Landespolitik: Während die Berliner SPD ihren eigenen Vorsitzenden schwächt, installiert die CDU einen neuen, ambitionierten Fraktionschef. Das alles in einer Gemengelage, in der die rot-rot-grüne Koalition wackelt, obwohl die große Bewährungsprobe noch aussteht: der Umgang mit der koalitionsintern höchst umstrittenen Videoüberwachung und dem Volksbegehren dazu.

Noch nicht mal zwei Drittel der SPD-Parteitagsdelegierten hat Michael Müller bei seiner Wiederwahl am Wochenende hinter sich gehabt. Das ist weniger als die auch nicht gerade von ihrem Ergebnis begeisterte neue SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles – und die hatte anders als Müller nicht mal eine Gegenkandidatin. Außerdem drängen nach der Linkspartei auch seine Parteifreunde, sich mit Hausbesetzungen anzufreunden, die Müller als Rechtsbruch betrachtet.

Eine in sich zerstrittene Regierungskoalition: Einem neuen Fraktionsvorsitzenden und designierten Oppositionsführer, der darauf aus sein wird, seine Wahl zu rechtfertigen, kann kaum etwas Besseres passieren. Am Dienstag hat sich die CDU-Landesvorsitzende Monika Grütters mit Burkard Dregger und Mario Czaja, beide am Vorsitz interessiert, auf einen Deal geeinigt: Der eher konservative Dregger soll Chef werden, der liberale Czaja Stellvertreter sein.

Das wird auch die Gewichte innerhalb der Opposition verschieben. Dregger wird anders als der bisherige Fraktionsvorsitzende Florian Graf von Anfang an klarmachen, dass er der Anführer ist und nicht, wie man oft meinen konnte, der Chef der kleinsten Oppositionsfraktion, FDP-Mann Sebastian Czaja.

Müller, im Hauptjob Regierender Bürgermeister, ist nicht zu beneiden. Er ist vor allem von der Linkspartei enttäuscht, weil er beim Großthema Wohnungsbau mehr von ihr erwartete, hat aber kein Druckmittel in der Hand. Denn platzt die rot-rot-grüne Koalition, ist in der öffentlichen Wahrnehmung immer die Partei schuld, von der man Führung und Scharnierfunktion erwartet und die den Chef stellt – und das sind die Sozialdemokraten mit Müller.

Ein geschwächter Regierungschef, ein ambitionierter Oppositionsführer und eine Linkspartei, die sich offenbar mit dem Gedanken anzufreunden beginnt, selbst den Regierenden Bürgermeister zu stellen: Das ist nicht wirklich die Basis, darauf zu wetten, dass die nächste Abgeordnetenhauswahl wirklich erst turnusgemäß 2021 ist. Stefan Alberti

Am Problem vorbei mit Extrageld

Brennpunktzulage auch für ErzieherInnen

Nicht nur LehrerInnen, auch die ErzieherInnen in sozialen Brennpunkten könnten sich bald über einen Aufschlag aufs reguläre Gehalt freuen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sagte am Mittwoch überraschend, man führe entsprechende Gespräche mit der Bildungsverwaltung und den rot-rot-grünen FachpolitikerInnen.

Damit ist klar: Das Tauziehen um die rund 8,6 Millionen Euro, die jeweils in diesem und dem kommenden Jahr für den Brennpunktbonus zu verteilen sind, wird erst mal weitergehen. Gut möglich, dass in diesem Haushaltsjahr, das nun inzwischen auch schon zur Hälfte vorbei ist, schlicht niemand mehr einen Bonus überwiesen bekommt.

Dabei ist die Forderung der Gewerkschaft, die ErzieherInnen in den Schulhorten nicht zu vergessen, natürlich allemal berechtigt. Im Vergleich zu den GrundschullehrerInnen, die inzwischen mit rund 5.300 Euro brutto so viel verdienen wie die KollegInnen an den Gymnasien, werden die ErzieherInnen viel schlechter bezahlt. Berlin ist stolz auf den Ausbau der Ganztagsschule, honoriert die Leistung der ErzieherInnen im Nachmittagshort aber nicht.

Nun dürfte der Bonus allerdings, schaut man auf vorige Berechnungen der Bildungsverwaltung für die Lehrkräfte, kaum größer als 200 bis 300 Euro ausfallen. Das ist nicht nichts: Möglich, dass das die ein oder andere Fachkraft in den Brennpunkt lockt – denn QuereinsteigerInnen sollen von dem Bonus nicht profitieren.

Aber mal abgesehen davon, dass der Bonus eher als eine Art Schmerzensgeld rüberkommen dürfte und es fraglich ist, ob die Schulen bei der Fachkräfteakquise damit tatsächlich punkten können: Ein paar Euro mehr werden kein grundsätzliches Problem lösen. Nicht umsonst haben die Lehrkräfte bei den Diskussionen um den Brennpunktbonus gefordert, man möge sie doch lieber stundenmäßig entlasten. Das geht aber nicht, weil es nicht genug Fachkräfte gibt, um das zu kompensieren. Bei den ErzieherInnen sieht es genauso aus.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will demnächst einen Krisengipfel zum ErzieherInnenmangel einberufen. Bei der Gelegenheit könnte man dann auch gleich überlegen, wie man den Brennpunktbonus sinnvoller investieren kann. Anna Klöpper

Ein paar Euro mehr werden kein grund-sätzliches Problem lösen

Anna Klöpper über einen möglichen Brennpunktzuschlag für ErzieherInnen

Eine Brücke ist zu schlagen

Märkisches Museum mit neuer „BerlinZEIT“

Wir mussten das Gebäude erst einmal kennenlernen, sagt der Direktor der Stiftung Stadtmuseum, Paul Spies, zu seinem Haupthaus, dem Märkischen Museum, das zugleich sein größtes Sorgenkind ist. Denn der 1908 von Ludwig Hoffmann errichtete Backsteinbau ist eine Kathedrale bürgerlicher Sehnsucht nach Idylle – aber eine Kathedrale ist eben schwer zu bespielen. Erst recht mit einer Dauerausstellung zur Geschichte Berlins, die modernen Ansprüchen Rechnung trägt.

Spies und sein Team haben es dennoch versucht und sich bei der neu eingerichteten Schau „BerlinZEIT“ auf den Rundgang im ersten Obergeschoss, das eigentlich ein Hochparterre ist, konzentriert.

Ab Sonntag ist die Ausstellung zur Stadtgeschichte auch für das Publikum geöffnet. Zweieinhalb Jahre wird sie nun im Haus am Köllnischen Park zu sehen sein, dann wird eingepackt und ausgeräumt. Ende 2020, Anfang 2021 beginnt die Sanierung des Hoffmann-Baus. 65 Millionen Euro stehen dafür und für die Ertüchtigung des benachbarten Marinehauses bereit. Ohne diese Zusage, betont Spies immer wieder, wäre er vor zwei Jahren nicht von Amsterdam nach Berlin gekommen.

Dem sympathischen Niederländer liegt also etwas am Märkischen Museum, es ist eine Herausforderung für ihn. Zu der gehört aber nicht nur die teils enge Raumführung, sondern die Lage selbst.

Ohne den Wiederaufbau der in den sechziger Jahren abgerissenen Waisenbrücke bleibt das an der Spree gelegene Museum im Abseits. Auch deshalb hat Spies schon 2016 eine Sommerakademie veranstaltet, die die Brücke ins Gedächtnis rufen sollte. Denn Ludwig Hoffmann hatte das Eingangsportal des Museums direkt auf die Brücke ausgerichtet. „Wenn die Brücke wieder aufgebaut wird, sind wir ein Hotspot“, ist Spies deshalb überzeugt.

3 Millionen Euro würde ein Wiederaufbau der Waisenbrücke für Fußgänger und Radfahrer kosten. Vorerst aber gibt es keine konkreten Pläne des Senats, eine neue Querung der Spree in Angriff zu nehmen. Das ist schade, denn mit Sicherheit wird „BerlinZEIT“ auch während der Sanierungsarbeiten im Märkischen Museum irgendwo zu sehen sein, zum Beispiel im Ephraim-Palais.

Wenn dort aber die Besucherzahlen um ein Vielfaches höher sein werden als im Stammhaus selbst, wird eine Rückkehr nicht unbedingt ein Automatismus sein. Trotz einer gewaltigen Investition wäre das Museum weiter schwer bespielbar – und im Abseits. Uwe Rada

Druck von links auf Linke

Hausbesetzer bringen Senat in Bewegung

Die um ihr Ansehen in der außerparlamentarischen Linken stets bemühten wie besorgten Politiker der Linkspartei haben vor und auch seit Eintritt in die Landesregierung wiederholt betont: Sie wünschen sich weiter Druck aus den sozialen Bewegungen. Das klingt ehrenwert bürgernah. Dennoch wird man annehmen dürfen, dass Lederer, Lompscher und Co nicht ganz unglücklich darüber waren, bislang noch nicht allzu viel Gegenwind aus dieser Richtung bekommen zu haben.

Mit der Hausbesetzungsaktion vom Pfingstsonntag hat sich das schlagartig geändert. Der erzeugte Druck wirkte auch in dieser Woche weiter nach. Die polizeiliche Räumung des Hauses in Neukölln wurde von Seiten der Bewegung vor allem der Linkspartei vorgehalten. Während sich Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher eher bedeckt gehalten hat, sind viele andere in der Partei seitdem ganz eifrig dabei, die Scherben aufzuräumen. Einstimmig verurteilte der Landesvorstand die Räumung und forderte das Ende der „Berliner Linie“. Statt innerhalb von 24 Stunden zu räumen, solle verhandelt werden, schrieb die Parteivorsitzende Katina Schubert diese Woche in einem Zeitungsbeitrag. Die Besetzer bräuchten Straffreiheit und „politische Unterstützung“.

Fachpolitiker gruben aus, dass die „Berliner Linie“ bei ihrer Einführung 1981 auch bedeutete, bereits besetzte Häuser zu legalisieren, Schatten-Staatssekretär Andrej Holm brachte als Gegenmodell Leitlinien aus Zürich ins Gespräch. Dort darf nur geräumt werden, wenn vom Eigentümer eine baldige Nutzung des Leerstands nachgewiesen werden kann beziehungsweise eine Baubewilligung vorliegt. Am Dienstag einigte sich der Koalitionsausschuss: Diese Erfahrungen sollen nun in Berlin ausgewertet werden. Dass auch die SPD sich diesem Vorgehen nicht versperrt, hat womöglich damit zu tun, dass laut einer Umfrage die Mehrheit der Berliner Besetzungen ganz okay findet.

Einig wurde man sich in der Runde zudem darin, stärker gegen Leerstand vorzugehen. Eigentümer sollen ausfindig gemacht werden, die Bezirke können dafür zusätzliches Personal erhalten. Den Bewegungslinken ist es damit gelungen, die Politik erfolgreich vor sich herzutreiben. Wenn sie daraus lernen, dass Druck auf die Linkspartei zu tatsächlicher Änderung der Senatspolitik führen kann, könnte der Wind von links bald schärfer wehen. Erik Peter