Ausstieg aus dem Ausstieg nicht rechtens

Studie der Deutschen Umwelthilfe: Die von der Union geplante Verlängerung der AKW-Laufzeiten ist aus juristischen Gründen unmöglich. Bürger und Länder könnten klagen. Und AKW-Betreiber müssten beweisen, dass Meiler vor Terror geschützt sind

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

Dem von der Union geplanten Ausstieg aus dem Atomausstieg stehen juristische Hürden im Wege. Eine CDU-geführte Bundesregierung kann die von Rot-Grün eingeführte Regellaufzeit für Atommeiler von 32 Jahren keineswegs einfach verlängern. Das ist das Fazit eines Rechtsgutachtens, das die Deutsche Umwelthilfe gestern vorgestellt hat.

Das Gutachten hat der Berliner Anwalt Reiner Geulen erstellt. Nach seiner Auffassung wäre für die Verlängerung der Laufzeit eines jeden AKWs ein eigenes Genehmigungsverfahren notwendig. In dem Verfahren hätten die Betreiber denkbar schlechte Karten.

Sie müssten erstmals nachweisen, dass ihre alten Reaktoren auch vor terroristischen Angriffen von Selbstmordattentätern mit Passagierflugzeugen geschützt sind. Diese Regelung wurde nach den Anschlägen vom 11. September eingeführt. Die alten deutschen Reaktoren entsprechen aber den aktuellen Sicherheitsstandards nicht.

Atomrechtsspezialist Geulen kommt zu dem klaren Schluss: „Eine Verlängerung der Restlaufzeiten insbesondere der alten deutschen Reaktoren ist daher rechtlich nicht möglich.“ Die Verlängerung könne von betroffenen Anwohner der Atommeiler „gerichtlich verhindert werden“. Und Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe kündigte gestern bereits an, jeden Versuch der Verlängerung von AKW-Laufzeiten „auf dem Klageweg zu bekämpfen“.

Die AKW-Betriebsgenehmigungen sind derzeit befristet – und zwar bis zur Erzeugung der 32 Betriebsjahren entsprechenden Strommenge. Das geht auf den Atomkonsens zurück, auf den sich die Betreiber mit Rot-Grün geeinigt hatten: Eon und Co akzeptierten darin, dass die zuvor unbefristeten Genehmigungen aufgelöst wurden.

Auf diese Tatsache stützt sich nun Rechtsanwalt Geulen. Ihm zufolge hätten die Betreiber das 2002 in Kraft getretene Ausstiegsgesetz als gesetzlichen Eingriff in ihr Eigentum beklagen können. Nur: Sie taten es seinerzeit nicht.

Den Anwohnern der Atomkraftwerke stehe nun „unter Hinweis auf den Schutz ihrer Gesundheit prozessualer Rechtsschutz gegen die Verlängerung der Betriebsdauer der Atomkraftwerke zu“, sagt der Rechtsanwalt. Gegen eine pauschale Verlängerung der Betriebsgenehmigungen könnten Anwohner Verfassungsbeschwerde einlegen.

Einzelne Bundesländer könnten darüber hinaus eine Normenkontrollklage in Karlsruhe anstrengen. Denn eine gesetzliche Verlängerung der Betriebsdauer komme aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Frage: Die Kompetenz zur Erteilung von AKW-Betriebsgenehmigungen liege bei den Ländern.