Chaos regiert in New Orleans

BERLIN ap/afp/taz ■ Von „Big Easy“ ist in New Orleans nichts mehr zu spüren. Chaos und Anarchie breiten sich aus. Die Menschen, die in der überfluteten Stadt eingeschlossen sind, kämpfen ums nackte Überleben.

Verzweifelte und hungrige Menschen lagern zu Hunderten an Häuserwänden und bitten um Hilfe, notdürftig sind Decken über Leichen auf den Bürgersteigen gebreitet. Wo es in Läden noch etwas zu holen gibt, toleriert die Polizei Beobachtern zufolge mittlerweile den Diebstahl von Lebensmitteln oder anderen lebenswichtigen Waren. Doch vielerorts wollen die Plünderer mehr, verlassen Geschäfte zum Beispiel mit Einkaufswagen voller Kleidung. Immer wieder eskaliert die Gewalt in Schießereien mit Polizisten und Nationalgardisten.

Am Freitag wurde die Stadt außerdem von mehreren Explosionen erschüttert. Der Fernsehsender ABC berichtete, die Explosionen hätten sich in einer Chemiefabrik am Mississippi-Ufer ereignet. Unter Berufung auf Bürgermeister Ray Nagin hieß es, der entstandene Rauch sei nicht giftig. Der Fernsehsender CNN berichtete, Spezialeinheiten für Gefahrgüter seien auf dem Weg zur Explosionsstelle. Angaben über Verletzte gab es zunächst nicht.

„Das ist eine nationale Schande“, schimpfte der Sicherheitschef der Stadt, Terry Ebbert. „Wir können den Tsunami-Opfern große Mengen von Hilfsgütern schicken, aber wir können New Orleans nicht aus der Klemme helfen.“ Der Polizeichef von New Orleans, Eddie Compass, berichtete, neben Raubüberfällen und Schlägereien sei es auch zu Vergewaltigungen gekommen. Die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, erklärte Plünderern und Gewalttätern den Krieg. Die neu ins Katastrophengebiet eingeflogenen Nationalgardisten hätten Maschinengewehre, „und sie sind geladen“.

Dramatische Zustände herrschten am Superdome. Noch mehr als 20.000 Menschen sind dort versammelt, um einen der Busse für die Evakuierung zu erwischen. Ihren Berichten zufolge gibt es kaum Nahrung oder Trinkwasser. Die Toiletten sind schon seit langem verstopft, der Gestank ist überwältigend. Außerdem sollen bewaffnete Banden die Eingesperrten terrorisiert haben. Von Polizisten werden die Geschichten bestätigt: „Da wurden Leute vergewaltigt. Da wurden Leute umgebracht. Es gab zahlreiche Unruhen“, sagte einer der Agentur AFP.

Stündlich steigen Flüchtlinge am Astrodome in der texanischen Hauptstadt Houston aus. Henry Mackels, einer der Flüchtlinge, sagt entschieden: „Es gibt kein Zurück.“ JÖRN KABISCH