Vom Schutzmann und dem Senkrechtstarter

taz geht wählen – Die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um die Mandate? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Höxter-Lippe II

Höxter-Lippe II?

Ganz im Nordosten, eingebettet zwischen Teutoburger Wald, Weser und Weserbergland liegt der Wahlkreis 137. Landwirtschaft und Schützenvereine gehören zum täglichen Leben. Die zünftigsten Wehrsportler feiern übrigens schon am Samstag vor der Wahl, wenn New York den preußischen Tugenden mit der Steubenparade huldigt. Trotz Monokultur liest sich die Kandidatenliste wie eine Berufsberatungs-Broschüre: Polizist, Soziologe, Journalist, Pfarrer, Karosseriebauer, KFZ-Mechaniker, Buchhändler, Lehrer. Und was wollen Sie mal werden, wenn Sie groß sind?

Wer verteidigt den Wahlkreis?

23 Jahre lang war Jürgen Herrmann Polizeibeamter, dann machte er „sein Hobby zum Beruf“: Weil der Langstreckenläufer „es so gut mit Menschen kann, war der Entschluss schnell gefasst, sich politisch zu engagieren“. Die Menschen sahen das ähnlich und wählten den CDUler 2002 mit 47,2 Prozent in den Bundestag. In Berlin sieht Herrmann den Menschen allerdings eher als Risiko: Er sitzt im Verteidigungsausschuss und wünscht sich als Polizist mehr „rechtlichen Rückhalt“, um gegen Kriminalität, Terrorismus und Extremismus vorzugehen. Natürlich mag der Sicherheitsbeamte Wohnraumüberwachung und Verwertbarkeit von DNA-Spuren. In seiner Freizeit menschelt es dann wieder: Der Familienvater kickt in der parlamentarischen Fußballmannschaft, auch deshalb, weil er „zwanglos“ mit Kollegen ins Gespräch komme.

Wer will den Wahlkreis?

Johannes Reineke ist Kreisvorsitzender der SPD und Mitglied im Landesvorstand. Früher war er Vorsitzender des Kinderschutzbundes, jetzt ist er pädagogischer und disponierender Leiter der Kinder- und Jugendeinrichtung „Haus 13“. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass „seine Verbundenheit dem Kinderschutzbund gilt“. Sein politisches Ziel: Die Stärkung der Region im Bundestag und das Leben familienfreundlich zu gestalten. Familiär ist auch sein Slogan: „Für uns in Berlin!“ Vor 21 Jahren war Reineke übrigens „Zugführer“ im „Bürger-Schützenverein von 1567 e.V. Brakel“. In der Bundespolitik muss er sich weiter hinten anstellen: Auf Landeslistenplatz 54 dient das nächste Brakeler Schützenfest wieder der Egopflege.

Die großen Außenseiter?

FDPler Thomas Trappmann war leitender Redakteur der Lippischen Landeszeitung. Dann Bürgermeister-Kandidat. Jetzt veranstaltet er sonderbare Dinge wie „Wahl-Halalis“ mit Wildschwein-Brutzeln. Sieg-Chancen hat er mit Listenplatz 48 aber genauso wenig wie Pfarrer und Senkrechtstarter Herbert Falke von den Grünen. Der ist erst seit drei Jahren Parteimitglied und rangiert schon auf Landeslistenplatz 22.

Die taz-Prognose?

Absolute Mehrheit für Polizisten, kein Achtungserfolg für sozialen Schützenbruder. Bei dem Tempo wird der grüne Pfarrer schon 2004 Parteivorsitzender.

JOSEFINE FEHR