„Oma Sieler war ein Original“

HEIMATKUNDE Die bewegte Geschichte von Sielers Ballhaus in Gröpelingen wird dokumentiert

■ ist Vorsitzender der Gröpelinger Geschichtswerkstatt und pensionierter Lehrer für Physik und Chemie.

taz: Herr Reichert, auf den Erinnerungstafeln erfährt man eine Menge über die Geschichte von Sielers Ballhaus – was haben Sie denn nicht darauf geschrieben?

Günter Reichert: Och, da gibt’s noch einige Anekdoten. Zum Beispiel aus der Zeit, als die Nationalsozialisten ihre ersten Wahlerfolge hatten, so ab 1924. Die wollten in Sielers Ballhaus eine Versammlung abhalten, aber das hat die KPD verhindert. Die Arbeiter haben nämlich direkt vor dem Ballhaus einen Straßenbahnzug umgekippt, so dass es einen Kurzschluss gab und das gesamte Streckennetz lahm gelegt war. Die Nazis mussten ja alle aus dem Umland anreisen und das ging dann nicht mehr.

Was hat Sie bei Ihren Recherchen am meisten überrascht?

Dass so ein Ballhaus vor dem Krieg ein solch kulturelles Zentrum war. Was nach dem Krieg war, das haben wir ja als Kinder und Jugendliche noch zum Teil mitbekommen, dass zum Beispiel Willy Hundertmark dort die Redaktionsräume für die KPD-Zeitung „Tribüne der Demokratie“ hatte. Aber vor dem Krieg, da fand dort alles statt, Stummfilme, Theater. Und der Arbeitersportverein Bremen, der hat dort bis 1920 seine Turnübungen gemacht.

Haben Sie heraus gefunden, was der damalige Besitzer für ein Typ war?

Nee, über ihn ist wenig bekannt. Aber seine Frau, Sophie Sieler, die viele unserer Gesprächspartner als „Oma Sieler“ kannten, die war ein Original. Die stand hinter der Theke und passte auf, dass die Mädchen nicht zu viel Alkohol tranken und nach zehn von den Jungs unbehelligt nach Hause kamen. Interview: eib

Enthüllung der Erinnerungstafeln; 15 Uhr, Lindenhofstraße 1