Polizei hilft NPD beim Wahlkampf

Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.

Samstag morgen um halb zehn in Oldenburg: Viele Menschen waren wegen des Neonaziaufmarschs in die Innenstadt gekommen. Nicht nur Jugendliche wollten zu einer der vier Gegenaktionen. „Wir zeigen unser Gesicht“, sagte der DGB-Kreisvorsitzende Manfred Klöpper auf der Kundgebung vor dem Bahnhof. Er sprach auch die Polizei an: „Ihr seid nicht hier, weil wir hier sind, sondern weil ihr die NPD schützt. Das ist das Problem.“

Klöpper, der auch für das „Oldenburger Forum gegen Rechts“ auftrat, betonte, es gebe keine „guten“ oder „schlechten“ Antifaschisten, denn nur zusammen könnte der Marsch verhindert werden. Diesen Samstag gelang den über 3.500 Demonstranten aber nur die Behinderung. Über 3.000 Polizeibeamte setzten die von dem stellvertretenden niedersächsischen NPD-Landesvorsitzenden Adolf Dammann verantwortete Wahlkampfaktion durch.

Es war das dritte Mal, das Neonazis zur Bundestagswahl durch norddeutsche Städte zogen. Die Märsche waren bisher die einzigen größeren Wahlkampfaktionen der Partei im Norden, daneben gibt es aber reglmäßig Infostände in Hamburg, Bremerhaven, Grevesmühlen, Hannover und Verden, wo die dünne Wahlkampfzeitung „Nicht meckern, handeln“ an Passanten und die neue „Schulhof-CD“ an Jugendliche verteilt wird. Nicht immer ungestört: Am Samstag musste die Polizei in Rendsburg einen NPD-Infostand vor Protesten schützen.

Von einem offensiven Wahlkampf sprach nicht mal der niedersächsische Landesvorsitzende Dammann, der für den Bundestag kandidiert. Die Partei weiß um ihre geringen Chancen. Denn der vorgezogene Termin macht ihr zu schaffen. Eigentlich war der Plan, nach den Landtagswahlen in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern gestärkt in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Die NPD-Kandidaten sollten bis 2006 in der Gesellschaft verankert sein, und das Thema Sozialpolitik wollten sie in den Medien verstärkt besetzen.

Doch jetzt sind auch gestandene NPDler wie der niedersächsische Landesvorsitzende Ulrich Eigenfeld, der auf Platz 1 kandidiert, wenig kampfesfroh. Zu dem Aufmarsch in seinem Wohnort kam er nicht. „Hochzeitstag“, hieß es. Er ist nicht der einzige, der am Samstag fern blieb. Nur knapp 100 „Kameraden“ liefen hinter dem NPD-Plakat „Demokratie und Toleranz auch für Deutsche“ durch Oldenburg. „Nazis Raus“-Rufe ärgerten Hans-Gerd Wiechmann, einst Landesvorsitzender bei den „Republikanern“, nun NPD-Bundestagskandidat, der über die „Schwulen, Lesben und Kriminellen“ in der Politik schimpfte. „Die Juden sind nicht unser Unglück, sondern die SPD“, wetterte der stellvertretende Landesvorsitzende Dammann, während im Hintergrund Rio Reisers „Alles Lüge“ aus einem Haus schallte. Zu den Vorbestraften auf den NPD-Landeslisten sagte Dammann aber nichts. Als da wären: Heinrich Förster, verurteilt wegen versuchten Mordes, Markus Winter wegen Körperverletzung oder Jürgen Rieger, ebenso wegen Körperverletzung.

Gegen halb fünf endete der Wahlauftritt am Bahnhof mit dem Singen des Deutschland-Lieds, selbstverständlich alle drei Strophen. Geneigte Wähler waren den Kameraden auf der Route nicht begegnet. Stattdessen erklangen von den Absperrungen immer wieder Rufe wie „Schöner Leben ohne Nazis“, manchmal flogen Obst und Eier. Zwei Mal konnten Demonstranten die Route blockieren. Über 100 Personen wurden von der Polizei in Gewahrsam genommen. Zu sechst stürmten Polizisten einem Eierwerfer hinterher, zerrten ihn aus einer Gaststätte, um ihn festzunehmen. Andere Demonstranten trieb die Polizei vor sich her, schlug auf sie ein und führte sie ab.

Die Polizei soll nach taz-Informationen auch Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt haben. „Das kann ich nicht bestätigen“, erklärte ein Polizeisprecher, meinte aber: „Wenn ja, dann in Notwehr.“ Schließlich seien sie auch mit Flaschen und Steinen beworfen worden.