sex and drugs and feuerteufel von RALF SOTSCHECK
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Der Polizeibeamte auf dem Dubliner Innenstadtrevier schüttelte bedauernd den Kopf. Er habe zwar den Halter des Wagens ermitteln können, der mich gerammt und dann Fahrerflucht begangen hatte, aber der lebe in der Sheriff Street, sagte er. Ja, und? „In die Sheriff Street trauen sich selbst die Rottweiler nur paarweise“, meinte der Polizist. „Ein Polizeiwagen wäre in der Gegend nur eine unnötige Provokation. Beim letzten Ausflug in diese Straße haben wir nicht nur das Auto eingebüßt, weil es angezündet wurde, sondern auch zwei Kollegen, die wegen des Schocks wochenlang krank geschrieben waren.“ Ich könne es ja selbst versuchen, meinte der Beamte höhnisch. Er würde mir gerne die Adresse geben. Ich verzichtete vorsichtshalber.

Das ist einige Jahre her, und die Sheriff Street ist kaum noch wiederzuerkennen. Im Zuge des Wirtschaftsbooms hat sich das Dubliner Finanzzentrum an der Liffey bis an die berüchtigte Straße ausgedehnt, die Slums wurden abgerissen, die meisten Bewohner in die Vororte umgesiedelt. Denjenigen, die zurückblieben, baute die Stadtverwaltung sieben moderne Apartmentblocks mit je drei Stockwerken. Die sollen wieder abgerissen werden, wenn es nach einigen Bewohnern geht. Die Sozialbauhäuser seien der Vorhof zur Hölle, behaupten sie.

Eine Frau erzählte der Irish Times, dass zwei Männer und eine Frau vor ihrer Wohnungstür wilden Sex hatten, während eine andere Frau berichtete, dass ihr Kleinkind ständig mit benutzten Kondomen nach Hause komme. Und ein Elfjähriger, so berichtete sein Vater, habe einen Mann mit einer Nadel im Arm bewusstlos auf der Treppe gefunden und habe nun Albträume, weil er den Junkie für eine Leiche gehalten hatte. Keine Klingel in den sieben Blocks funktioniert, was auch nicht nötig ist, weil sämtliche Haustürschlösser kaputt sind. Die Briefkästen sind schon lange verschwunden, das Licht im Hausflur geht seit Jahren nicht, und auf den Treppenabsätzen lagern gestohlene Fahrräder. Brendan Hayden vom städtischen Wohnungsbauamt meint, ein Abriss komme nicht in Frage. Das wäre närrisch, findet er, schließlich seien die Gebäude so gut wie neu. „Es gibt überhaupt kein Problem mit den Wohnungen“, sagt Hayden, „sondern nur mit den Leuten.“ Fast hätte sich das Problem von selbst gelöst, als vor drei Wochen Jugendliche nachts ein Feuer unter der Treppe machten, weil sie grillen wollten. Der Feueralarm funktionierte natürlich nicht, und wenn ein Anwohner nicht den Braten gerochen hätte, wäre das Gebäude in Flammen aufgegangen – so wie um die Ecke von der Sheriff Street am Ormond Quay, als neulich 30 Immigranten gerade noch gerettet werden konnten.

Keiner von ihnen war als Mieter registriert, weil der Hauseigentümer die Anmeldegebühr von 70 Euro pro Wohnung sparen wollte. Die Miethaie kassieren in der Dubliner Innenstadt 500 bis 800 Euro pro Woche für regelrechte Bruchbuden. Dennoch wollen sie gegen die Registrierungspflicht klagen, weil das für sie eine „unzumutbare Bürokratie“ sei – vermutlich ebenso wie das Zahlen der Steuern auf die Mieteinnahmen. Man sollte sie allesamt zu den Junkies, Fahrraddieben und Feuerteufeln in die Sheriff Street stecken. Für 800 Euro in der Woche.