Pimp up my life. Oder: Wo liegt Neukölln?

Selten kam ein Fernsehformat so subtil-verlogen daher: In der Reality-Soap „Unser Block“ (Viva, ab Di., 6. 9., 21.00 Uhr) vermischen sich fröhlich Authentizität und Inszenierung. Oder lotet da nur wer eine neuen Realitätsbegriff aus?

Zuerst waren es nur Autos, dann kamen die Fahrräder dran und schließlich das Leben. Muss alles aufgerüstet werden, frisch lackiert und seitenverstärkt, mit Swimmingpool im Heck und neuen, glitzernden Felgen. Auch das Dasein in einem Berliner Problembezirk ist dem Musikfernsehen nicht aufregend genug, als dass man nicht noch ein wenig aufmotzen könnte: Bitte Viva, pimp up my life!

Vorerst acht Episoden lang wird der bundesdeutschen Teenie-Gemeinde allwöchentlich von morgigen Dienstag an vorgeführt, wie es so zugeht in Berlin-Neukölln. Es treten auf: die deutsch-türkische Community, Rapper auf dem Weg nach oben, von einer besseren Zukunft träumende Tänzerinnen, ein Footballspieler mit alkoholkranker Mutter und ein Kiosk und sein Besitzer, die als sozialer Mittelpunkt die diversen Handlungsstränge notdürftig miteinander verbinden müssen. Kurz: Multikulti in full effect, mit flotten Schnitten und dokumentarisch wirkender Handkamera gefilmt.

Der Sender bezeichnet seine Eigenproduktion doppelt gemoppelt als „Reality-Doku“, tatsächlich aber wird einem eine Wirklichkeit vorgeführt, die zwar grundsätzlich ungefähr so in Berlin-Neukölln stattfinden dürfte, aber zugunsten ihrer medialen Umsetzung arg zurechtgeschoben wurde. So wurde die angeblich in den Plattenbauten Neuköllns stattfindende Handlung zu weiten Teilen in Kreuzberg gedreht, und kaum einer der Protagonisten trägt seinen wahren Namen. Die HipHop-Crew firmiert immerhin unter ihren echten Künstlernamen, aber stammt dafür nicht aus Neukölln, sondern aus ungleich bürgerlicheren Bezirken wie Steglitz und Schöneberg.

Das Leben selbst, so glaubt wohl die Münchner Produktionsfirma Tresor („Popstars“), ist eben nicht spannend genug. Sie holte die Mitwirkenden zwar von der Straße, aber vermischte dann fröhlich Authentizität und Inszenierung. So und aus dieser Subkultur war das bislang nur im Kino zu sehen: Im gelungenen „Status Yo!“ von 2004.

Immerhin ist „Unser Block“ – dank seiner Protagonisten – ungleich authentischer als die Pseudo-Reality-Shows wie „Abschlussklasse“ oder „Freunde“, in denen Schauspieler sich gegenseitig beim Aufsagen notdürftig auswendig gelernter Texte mit der Videokamera filmen: Die Rapperin She-Raw und ihr Kollege Serk veröffentlichen dieser Tage denn auch wirklich ihr erstes Album unter dem Projektnamen 41 Karat. Und Label-Chef Yarit, der in der Serie den Manager mimt, gibt freimütig zu, die „schöne Werbefläche“ nutzen zu wollen, die die Soap verspricht. Aber nicht nur deshalb ist „Unser Block“ das vielleicht bisher verlogenste TV-Format, sondern vor allem deshalb, weil die Serie sehr viel geschickter als alle anderen bisherigen Reality-Formate offen lässt, wo die Realität endet und die Fantasie der Produzenten beginnt. THOMAS WINKLER