Tor-Maschine läuft rund

HANDBALL Der THW Kiel lässt Frisch Auf Göppingen mit 36:25 keine Chance – überraschend ist das nicht

In der Bundesliga hatte die „Maschine“ in dieser Saison für einen kurzen Moment einen Aussetzer gehabt

Am vergangenen Mittwoch durfte Filip Jicha, Handball-Profi beim deutschen Rekordmeister THW Kiel, zusammen mit Bundespräsidenten Joachim Gauck und dessen tschechischem Amtskollegen Vaclav Klaus in Prag speisen. Der gebürtige Pilsener Jicha, der seit 2007 für den THW spielt, hatte als „Botschafter für ein vorbildliches deutsch-tschechisches Miteinander“ eine amtliche Einladung für das offizielle Mittagessen im Rudolfzimmer der Prager Burg erhalten. „Allerdings weiß ich nicht, wie ich dazu komme“, hatte der wurfgewaltige Rückraumspieler vor der Abreise den Kieler Nachrichten gesagt.

Nun ja, der 30-jährige Welthandballer des Jahres 2010 ist fraglos ein sehr gutes Bindeglied zwischen den beiden Nationen. Er lebt seit sieben Jahren in Deutschland, spricht perfekt Deutsch und tritt bescheiden auf – sei es nun in der Interviewzone nach einem Spiel oder beim Tapas-Essen in der Kieler Innenstadt. Gleich nach dem Mittagessen in Prag hatte sich der Musterprofi wieder auf die Rückreise nach Kiel begeben, um beim Champions-League-Heimspiel gegen die rumänische Mannschaft HCM Constanta dabei sein zu können, das die Kieler mit 35:14 gewannen.

Auch am gestrigen Sonntag stand Jicha wieder auf dem Parkettboden der ehemaligen Ostseehalle: beim Bundesliga-Heimspiel gegen Frisch Auf Göppingen setzte sich der THW mit 36:25 (18:13) durch, die meisten Tore (6/2) steuerte Jicha bei.

Bei den erfolgsverwöhnten Kielern ist wieder alles im Fluss – sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. In der Hauptrundengruppe B der Champions League hat der THW seine drei Spiele allesamt gewonnen. Der Sieg gegen die drittklassigen Rumänen aus Constanta war dabei keine große Kunst – beeindruckender war da schon das 32:27 bei Atletico Madrid am ersten Spieltag. Die spanische Sportzeitung As sparte nach jenem Spiel nicht mit Lob für die Schleswig-Holsteiner: „Atletico wurde von der Maschine Kiel vorgeführt.“

In der Bundesliga hatte die „Maschine“ in dieser Saison für einen kurzen Moment einen Aussetzer gehabt. Am vierten Spieltag kam das Team von Trainer Alfred Gislason in der Partie bei den Füchsen Berlin nicht über ein 26:26 hinaus. In der vergangenen, perfekten Saison hatten die Kieler alle 34 Spiele in der Bundesliga gewonnen, diese unglaubliche Siegesserie war nun nach 501 Tagen und exakt 50 Pflichtspielerfolgen gerissen – und die Kieler hatten so ihre Probleme, sich mit dem ungewohnten Gefühl vertraut zu machen. „Jeder bekommt das Ergebnis, das er verdient. Ich bin sehr unzufrieden, ein Unentschieden ist für uns immer ein verlorener Punkt“, sagte Kreisläufer Marcus Ahlm.

Trainer Gislason gab sich zähneknirschend generös: „Zum Wohle des Handballs ist es aus meiner Sicht gut, dass wir mal einen Punkt liegen gelassen haben. Ich hatte schon im Sommer gesagt, dass dies eine ganz andere Saison werden wird.“

Nun, ganz anders wird die Saison sicher nicht. Die Prognose fällt nicht schwer, dass der THW Kiel am Ende der Saison zum 18. Mal Deutscher Meister wird – nur eben diesmal nicht ohne jeden Minuspunkt.  CHRISTAN GÖRTZEN