Prenzlberg in Schwabenhand

FOOTBALL Im Jahn-Sportpark kämpften Kiel und Schwäbisch Hall um die Deutsche Meisterschaft. Es war eine tolle Show

Junge Frauen fliegen durch die Gegend. Eine Biene Maja schlägt Flickflacks

VON JENS UTHOFF

In Prenzlauer Berg ist Kriegsbemalung angesagt. Die Schwaben sind da. Damit ist jetzt aber nicht die viel kritisierte Stadtteilbevölkerung gemeint, sondern das Footballteam der Schwäbisch Hall Unicorns. Samt ihrer zahlreichen Anhänger belagern sie den flutlichtbeschienenen Jahn-Sportpark. Das „Eye Black“, das sich die Footballer unter die Augen schmieren, hat auch bei den Fans Hochkonjunktur. Das heißt, in diesem Fall ist es eher das Eye Green, denn die Farbe der Haller ist Grün-Weiß. Es ist Samstagabend, der wichtigste Kick-off des Jahres steht an.

Erstmals seit 1988 fand am Samstagabend das Finale um die Deutsche Meisterschaft im Football wieder in Berlin statt. Beim German Bowl treten dabei die beiden Teams gegeneinander an, die sich in der German Football League am erfolgreichsten durch die Nord- und Südligen und die Play-offs gekämpft haben. Wie im vergangenen Jahr standen dabei die Kiel Baltic Hurricanes den Unicorns gegenüber – und wie im vergangenen Jahr siegten die Bausparkassenstädter. Diesmal in einem spannenden Finish mit 56:53. Thomas Rauch erzielte 34 Sekunden vor Schluss das entscheidende Fieldgoal.

Football, das ist Spektakel. Und Football, das ist erst mal Verwirrung für das an die europäische Fußballvariante gewohnte Auge. Unter den 11.400 Zuschauern gab es einige, denen die amerikanische Variante nicht so vertraut ist. „Man versteht nicht alles“, sagt ein 25-jähriger Zuschauer, der sein erstes Match sieht. „Wie das bei den vielen Unterbrechungen mit den Yards und den Fouls genau läuft, hab ich nicht immer gecheckt.“ Der Touchdown, das Stürmen in die gegnerische Endzone mit Ball, und das Fieldgoal, das Schießen des Balles durch das erhöhte Torgestänge, sind dabei noch recht geläufig – und am spektakulärsten.

Zu Beginn stehen sich fast Hundertschaften in Grün-Weiß (Schwaben) und Grün-Orange (Holstein) gegenüber – in einem Team kommen etwa 70 Spieler zusammen, die eingesetzt werden können. Auf dem Feld aber heißt es immer nur elf gegen elf, Offense gegen Defense. Wechselt eine Mannschaft von Offense auf Defense, wird oft das gesamte Team ausgetauscht. Das Gute am Football: Auch die Fülligeren können mitmachen – etwa zum Abschirmen des Quarterbacks. Jeder Spielertyp wird benötigt.

Tröten und Rasseln erzeugen eine dichte Atmosphäre. Der Tribünenblock ist grasgrün gefärbt, die Unicorns haben die Stimmungshoheit. Fahren sie sonst mit gut 100 Fans zu den Auswärtsspielen, dürften es nun über 2.000 sein. Den Rest besorgen das einhörnige Maskottchen und die Cheerleadergruppen. Vor der Tribüne hüpfen sie herum, im Biene-Maja- und Marienkäfer-Style kostümiert. Junge Frauen werden durch die Gegend geworfen. Eine Biene Maja schlägt Flickflacks. Daneben sind die Unicorn-Cheerleader postiert – bei ihnen sind Männer mit von der Partie. Die Majas entscheiden diesen Contest für sich.

Football gespielt wurde auch. Der magische Moment eines jeden Spiels ist es, wenn ein Spieler mit der Pille in der Hand 70 oder 80 Yards über den Platz rennt und einen Touchdown landet. Die Dramaturgie dieses Spiels: Kiel sah schon wie der klare Sieger aus, ehe ein Touchdown und zwei Anschlusspunkte kurz vor Schluss den Ausgleich brachten. Und dann kam Thomas Rauch. Er ließ jene auf der Tribüne jubeln, die grün unter den Augen waren.