brief des tages
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Festung: ein schiefes Bild

„Deutsches Diskursversagen“, taz v. 8. 5. 18

Scharfsichtiger Beitrag, aber das letzte Bild ist schief: „Wer immer weiter an der Festung Europa baut, der ist die eigentliche Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden.“ Klar, die Autorin meint hier, Europa abzuschotten. Aber auch die AfD will die Festung Europa einreißen, zwar nicht an ihren Außengrenzen, sondern in ihrem Kern („Ein feste Burg“).

Wir sollten uns fragen, ob das Festungsbild überhaupt sinnstiftend ist. Denn Europa ist auch eine Festung für den Frieden. Niemand möchte entwurzelt sein. Nicht die Menschen auf der Flucht und auch nicht die linksliberale Kosmopolitin. Die meisten Menschen benötigen Verankerung, sei es in der WG, der „Gay-Community“, im konservativen CDU-Familienbild, der Sekte oder schlimmstenfalls in der rechten Peergroup. Dieses Grundbedürfnis mit schiefen Bildern zu leugnen, bedeutet, Identitätsstiftung dem rechten Diskurs zu überlassen. An anderer Stelle wird mit dem geschickt wortgeschöpften Propagandabegriff „Ankerzentren“ hier übrigens genau diese emotionale Ebene adressiert, um ein politisches Programm positiv zu konnotieren, das böswillig auch als „Errichtung von Konzentrationslagern“ beschrieben werden könnte. Dirk Christoph Lubien, Berlin