Große Koalition für neue Kohlekraftwerke

In der Energiepolitik will die neue CDU-geführte Landesregierung zurück in die Zukunft: Die Ministerin für Wirtschaft und Energie, Christa Thoben, setzt fossile Energieträger. Bauminister Oliver Wittke will die Windkraft „kaputtmachen“

DÜSSELDORF taz ■ Wie die Sozialdemokraten setzt auch die neue Landesregierung weiter auf den Energieträger Kohle. Die Christdemokratin Christa Thoben, Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, machte sich gestern in Düsseldorf ausdrücklich für das auch vom früheren SPD-Energieminister Axel Horstmann unterstützte Kraftwerkserneuerungsprogramm stark. Das Programm sieht den Neubau eines Braunkohlekraftwerks im niederrheinischen Neurath sowie zwei neue Steinkohlekraftwerke an den Standorten Walsum und Datteln vor. Auch das Braunkohlekraftwerk Weisweiler soll durch den Einbau zweier neuer Vorschaltgasturbinen modernisiert werden – mit dem Umbau wird noch in diesem Jahr begonnen.

„Die neue Landesregierung hat sich vorgenommen, die Entwicklung neuer und sauberer Kohletechnologien zu unterstützen“, so Thoben. Dazu gehöre auch die Entwicklung eines neuen Typs von Kohlekraftwerken, der Wirkungsgrade von über 50 Prozent ermöglichen soll: Eine erste Versuchsanlage im Gelsenkirchener Kraftwerk Scholven läuft bereits. Ziel bleibe aber die Entwicklung eines Kraftwerks, dass keinerlei klimaschädliches Kohlendioxid ausstoße, warb auch Gerd Jäger vom Energielobby-Verband VBE für die Kohleverstromung. Hinter dem VBE stehen über 420 Stromerzeuger aus 29 Ländern.

Derzeit aber gelten weniger ehrgeizige Ziele: Mit dem Erneuerungsprogramm soll der Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke von 38 auf 43 bis 46 Prozent gesteigert werden. Darüber hinaus sollen in Hamm-Uentrop und Herdecke zwei umweltfreundlichere Gaskraftwerke entstehen, und in Hürth wird noch in diesem Monat mit dem Bau eines besonders schadstoffarmen Gas- und Dampfturbinenkraftwerks (GuD) begonnen. Noch intensiver genutzt werden könne der umweltfreundlichere Energieträger Gas aus strategischen Gründen aber nicht, sagte Thoben auf Nachfrage: „Es gibt nur wenige Anbieter. Da könnten Engpässe entstehen.“ Derzeit liefert Russland den größten Teil des in Deutschland verbrannten Erdgases.

Auch den nordrhein-westfälischen Bergleuten wollte Wirtschaftsministerin Thoben keinerlei Hoffnung machen. Die Landesregierung stehe zum beschlossenen Ausstieg aus der Steinkohleförderung in NRW – die neuen Kraftwerke sollen mit Kohle aus Übersee betrieben werden. „Schon heute laufen die Kraftwerke mit über 50 Prozent Importkohle“, so die Ministerin zur Begründung.

Zum Thema Atomkraft äußerte sich Thoben dagegen denkbar knapp. Die von CDU-Bundeschefin Angela Merkel für den Fall eines Wahlsiegs angekündigte Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke spiele für Nordrhein-Westfalen keine Rolle. „Wir haben in NRW doch keine Kernkraftwerke“, so die Ministerin auf taz-Nachfrage – ganz so, als sei NRW eine Insel und nicht in das europäische Stromnetz eingebunden. Obwohl durch die Laufzeitverlängerung mehr Strom produziert werden könnte, sei die Modernisierung der Kohlekraftwerke dringend nötig, beteuerte auch VBE-Vertreter Jäger.

Die Grünen kritisierten Thoben in einer ersten Stellungnahme ungewöhnlich scharf. Die Ministerin habe einen „Lobbyistenverband vorgeschickt“, findet Reiner Priggen, Energieexperte der Grünen. Besonders die Ankündigungen von CDU-Bauminister Oliver Wittke zur Windkraft verdeutlichten die energiepolitische Rolle rückwärts von CDU und FDP: In der Zeit lässt sich Wittke mit dem Satz zitieren, die Landesregierung werde die Windkraft „als erstes kaputtmachen“. ANDREAS WYPUTTA