Hunderte verlieren ihren Pass

Erste Zwangsgelder gegen türkischstämmige Hamburger erhoben, die Auskunft über Staatsangehörigkeit verweigern. Anwältin bezweifelt Rechtmäßigkeit der Umfrage

Mindestens 551 Deutsch-Türken in Hamburg haben wegen der Wiederannahme eines türkischen Passes ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren und dürfen somit nicht bei der Bundestagswahl am 18. September mitstimmen. Das ergab eine Umfrage der Innenbehörde unter 6.614 Hamburgern türkischer Herkunft. Den 388 Adressaten, die nicht reagierten, kündigte die Behörde Zwangsgelder an. Erste Bescheide wurden bereits verschickt. Innensenator Udo Nagel (parteilos) rügte: „Für Verweigerer habe ich kein Verständnis.“

Die Türkei hatte im Januar bekannt gegeben, dass bundesweit rund 50.000 tükischstämmige Migranten nach ihrer Einbürgerung zusätzlich wieder türkische Pässe erhalten haben. Nach einer Bundesnovelle von 2000 aber führt die Annahme einer zweiten Staatsangehörigkeit nach dem 31. Dezember 1999 automatisch zum Verlust der deutschen.

Der Senat begründet die Pass-Umfrage damit, dass vor der Bundestagswahl das Wählerverzeichnis zu aktualisieren sei. Die Bezirksämter hatten sie im Auftrag des Senats Anfang Juni gestartet und die Rückmeldefrist auf Ende August festgesetzt. 94 Prozent der Adressaten haben teilgenommen. Wie Nagel ankündigte, werde seine Behörde nunmehr veranlassen, dass gegenüber jenen, „die sich offensichtlich ihrer Auskunftspflicht entziehen wollen, staatliche Zwangsmaßnahmen, das heißt die Festsetzung von Zwangsgeldern, eingeleitet werden“.

Die Hamburger Anwältin Christiane Yüksel berät rund 20 Mandanten, die nicht antworten wollen. Der erste erhielt vorige Woche einen Bußgeldbescheid. „Es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an fehlerfreien Wählerverzeichnissen“, begründete das Bezirksamt die Festsetzung von 100 Euro Zwangsgeld: „Dagegen tritt die Mitwirkungshandlung zurück.“

Doch Yüksel stellt in Frage, dass das Ersuchen des Senats um Offenlegung der Staatsangehörigkeit mit dem Gesetz vereinbar ist. Alle Befragten hätten bei ihrer Einbürgerung unterschrieben, die türkische Staatsangehörigkeit mit Erhalt des deutschen Passes aufzugeben. Yüksel: „Aus meiner Sicht reicht das aus.“

Wie zudem ihre Anfragen bei den Bezirksämtern Nord und Mitte nach der gesetzlichen Grundlage für deren Begehren ergeben hätten, „kennen die Bezirke ihre eigenen Rechtsgrundlagen nicht“. Beide Male habe sie keine Antwort erhalten, sondern sei erst in die Ausländer- und weiter in die Innenbehörde verwiesen worden. Diese berufe sich auf Paragraph 18 des Hamburger Meldegesetzes, demnach jeder Meldepflichtige auskunftspflichtig ist. „Es ist höchst fraglich, ob diese Norm das Ersuchen des Senats deckt“, moniert Yüksel, die Formulierung sei „sehr offen“. Vermutlich, argwöhnt sie, gehe es dem Senat vielmehr darum, vor der Wahl das Melderegister „zu berichtigen“. Eva Weikert