meinungsstark
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Kommerzialisierung des Protests

„Sie haben uns den Frühling gestohlen“, taz vom 9. 5. 18

Merci beaucoup, Johanna Luyssen. Sie hätten mit fast identischen Worten über 68 in Deutschland schreiben können. Nicht nur der Diebstahl der Worte (Verarmung und Verelendung von immer mehr Menschen unter dem Etikett Solidarität, Sozialabbau-forcierende und manche reaktionären politischen Entscheidungen als revolutionär gefeiert, Altersarmut euphemisiert als Generationengerechtigkeit), sondern die entstellende Kommerzialisierung nahezu jeder protestierenden Geste bilden den Triumph der Gegenrevolte sachlich ab. Personell funktioniert die Entwertung einer theoretisch wie praktisch lebendigen, intensiven, fantasievollen und zu den Idealen der französischen und der deutschen Revolution strebenden Bewegung, weil auch hierzulande die Mehrzahl der selbsternannten VeränderInnen des kapitalistischen Systems ihren Marsch durch die Institutionen als seine Kollaborateure, auf seiner Sonnen-, also auf der macht- und wohlstandsgenährten Seite, beendet haben.

Auch in Bezug auf Macron ist Ihnen zuzustimmen, er ist einer der gefährlichsten Propagandisten des Unrechts, wer seine Rede bei der Verleihung des Aachener Friedenspreises gehört hat, begreift, wie Agitprop der Herrschenden heute funktioniert: Mit großer Emphase und mit die wirklichen Absichten verschleierndem Elan die Mogelpackung eines Europa der gesellschaftlichen Spaltung, der Konzerne und der kriegerischen Sicherung von Macht und Profit als künftiges Paradies für alle verkaufen. Günter Rexilius, Mönchengladbach

Was pflegten die Homser zu singen?

betr.: Der Geist des arabischen Frühlings lebt

„Ihr hattet doch Stabilität!“; „Euer Land war doch schön!“ Bei allem Respekt für die unterschiedlichsten Meinungen und Ansichten. Ja, die Bilanz ist ernüchternd und lädt zum Relativieren ein. Kaum eine Erwartung wurde bisher erfüllt. Keine Demokratisierung, keine per Verfassung garantierten Freiheitsrechte … nur in Tunesien.

Aber der Geist, dieses mächtige und bisher unterdrückte und gebrochene Wesen, hat keine Angst mehr. Er ist aus der Flasche. Keiner kann ihn wieder dorthin beordern. Kein Sisi, kein ISler, kein Mullah und kein Putin. Kein Iran und keine Interessen anderer Mächte der Region und der ganzen Welt. Die allgegenwärtige Angst, die unmenschliche Furcht vor diesen hochstilisierten Gottheiten, den Tyrannen, diesen sadistischen Bestien, sie gehört der Vergangenheit an. Wie weggepustet. Auf Nimmerwiedersehen.

Gegenwärtig sind überall Knospen. Und sie werden blühen. Irgendwann. Wahrscheinlich harren sie zunächst aus. Aber sie werden es tun. Kein Winter wird ewig andauern. Was pflegten die Homser zu singen? „Und wir haben all eure Statuen zertrümmert.“ Ich verneige mich. Saad Eddine Fidaoui, Buchholz

Die Revolution im Treppenhaus

„La beauté est dans la rue“, taz vom 9. 5. 18

Liebe taz, die Revolution ist angekommen. Ich lese „La beauté est dans la rue“, ich übersetze: „Die Schönheit ist auf der Straße“. Und ich verstehe: „… liegt auf der Straße“. Will verstehen. Meine Sehnsucht nach Veränderung der Verhältnisse! Dasselbe in der Bildunterschrift.

Juchuu, meine taz, meine Sehnsucht, wir sind eins! Ein klitzekleiner Zweifel nur: Ist es nicht eine wirkliche Schönheit, die den Ziegel wirft? Ist es nicht eine Frau? Will es nicht heißen: „Die Schönheit geht auf die Straße?“ Wie war das 68? Wehrt Euch, Frauen, macht Euch stark! Wie ist es heute? Jetzt hängt der taz-Titel vom Mittwoch im Treppenhaus.

Björn Wolf, Offenbach

What’s your problem, Little Lindner?

„verboten“, taz vom 14. 5. 18

Ausgerechnet die Anglizismenschleuder Christian Lindner packt schierer Ekel bei dem Gedanken, in der Schlange beim Bäcker „illegale Ausländer“ in gebrochenem Deutsch Brötchen bestellen zu hören … Jürgen Kasiske, Hamburg