Hausaufgabenhilfe von Ian McEwan: Lass das lieber nicht den Papa machen
Sind Schriftsteller die besten Interpreten ihrer eigenen Werke? Oder sollten sie lieber die Finger davon lassen? Ein Fall aus England lässt aufhorchen.
Der hochdekorierte (Booker Prize u.a.) Erfolgsautor Ian McEwan plaudert im Interview mit der britischen Daily Mail darüber, wie er seinem Sohn Greg eine gute Englischnote zu ermogeln versuchte, indem er ihm Tipps zu seinem eigenen Roman „Enduring Love“ (deutsch „Liebeswahn“) gab. Ausgerechnet der war nämlich das Sujet des anberaumten Besinnungsaufsatzes. Greg erhielt nur eine C+, und was nach einem Multivitaminsaft klingt, entspricht in unserem Notensystem in etwa einer Drei.
Ziemlich mäßig für den großen Meister. Der Lehrer war mitnichten einverstanden mit den Ansichten des jungen McE. und damit zugleich auch des alten über dessen Werk. „Der kann ja nicht mal selbst erklären, was er da zusammengeschmiert hat“, scheint der Schulmeister zu höhnen. Ist das noch Hass oder schon Verachtung?
Ian nimmt es gelassen. Er hat Geld wie Heu. Er könnte die High School kaufen und anschließend abreißen lassen, um sich auf dem Gelände eine Minigolfbahn anzulegen. Ist ihm aber zu dumm. Die armseligen Spielchen des frustrierten Paukers macht er gar nicht mit.
Doch wer weiß, vielleicht war die mäßige Note gar nicht in erster Linie unterschiedlichen Interpretationen des Buchs (Ian/Greg: „Der Ballonunfall ist eine Metapher.“ Teacher: „Bullshit“) geschuldet? Denn ein guter Lehrer belobigt durchaus auch die andere Meinung, sofern sie nur stringent dargelegt wird. Sondern der missratene Spross der Edelfeder hat deren guten Rat stilistisch, orthografisch und grammatisch volle Möhre in die Scheiße geritten.
Dann noch schlampig hingeschmiert und voller Tintenkleckse. Da Ian McEwan, wie er sagt, das Essay seines Sohns überhaupt nicht gelesen hat, konnte der ihm natürlich viel erzählen. Und um einer Ohrfeige zu entgehen, schiebt man die Schuld natürlich lieber auf den Vater und den Lehrer als auf die eigene Unfähigkeit. Der Apfel fällt zwar nie weit vom Stamm, kollert danach aber oft noch ein ganzes Stück weg, besonders wenn dieser an einem Abhang steht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen