die woche in berlin
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Die Kritik an Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) reißt nicht ab. Proteste gegen Rüstungshersteller bringen erheblich weniger Menschen auf die Straße als Mietendemos. Ein neues Kopftuchurteil sorgt für mehr Verwirrung über das Neutralitätsgesetz. Und Hertha und der Senat kommen sich ein kleines Stück näher in der Debatte um ein neues – oder doch nur umgebautes? – Stadion

Alle gegen Katrin Lompscher

Wohnungsbericht zeigt weiter steigende Mieten

Manchmal wünscht man sich ein Computerspiel, nennen wir es mal „Kabinettsumbau“. Man könnte darin eine Senatorin durch die einer anderen Partei ersetzen und schauen, wie das so läuft. Etwa bei den Mieten in Berlin. Würde eine Bausenatorin der CDU oder SPD die Mieten eher im Zaum halten als die amtierende Katrin Lompscher von der Linkspartei?

Lompscher hat am Montag den Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank (IBB) vorgestellt, in dem von Entspannung ganz und gar keine Rede sein kann. Vielmehr gehen die Angebotsmieten durch die Decke, sie liegen inzwischen bei 10,15 Euro pro Quadratmeter. Weitaus weniger sind dagegen die Bestandsmieten gestiegen.

Kein Wunder, dass Lompscher neben dem Wohnungsneubau immer betont, auch für diejenigen Politik zu machen, die eine Wohnung haben. Denn dass die Bestandsmieten weniger steigen als die Angebotsmieten, kann durchaus als Erfolg eines Mixes an Instrumenten gesehen werden – von der Ausweitung der Milieuschutzgebiete über die Umwandlungsverordnung bis zum Mietenbündnis mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften.

Dennoch wird Lompscher wieder attackiert. Von der CDU, die ihr vorwirft, Neubau zu verhindern – und hinter vorgehaltener Hand auch von der SPD, deren Argumente sich von denen der CDU kaum unterscheiden. Deshalb wäre das Spiel „Kabinettsumbau“ so interessant. Was wäre, wenn die wohnungspolitische Sprecherin der SPD, Iris Spranger, Lompschers Amt innehätte? Oder ihr CDU-Kollege Christian Gräff? Würden die Mieten dann sinken, weil privaten Investoren der Teppich ausgerollt wurde? Wohl kaum.

Wie durchsichtig die Kritik an Lompscher ist, sieht man an dem Vorwurf, sie würde mit dem „Berliner Modell“ den Bau von Wohnungen für den Mittelstand verhindern. Das Modell sieht vor, dass private Bauträger ein Drittel aller Wohnungen für 6,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter errichten müssen. Hamburg und München haben es vorgemacht, Berlin zog ist mit der üblichen Verspätung nach.

Wie nötig das ist, zeigt der IBB-Bericht. Nur noch 10 Prozent aller Angebotsmieten liegen unter 7 Euro, vorwiegend in Marzahn und Spandau. Ohne das Berliner Modell wären es bald noch weniger. Schade, dass man das Entsetzen darüber nicht einfach mal durchspielen kann. Uwe Rada

Die Anlässe sind artverwandt

Geringe Beteiligung bei Anti-Rüstungs-Protesten

Ein paar hundert Menschen protestierten Anfang der Woche an zwei Tagen vor dem Hotel Maritim gegen die Aktionärsversammlung des Waffenherstellers Rheinmetall. Der feierte dort seine Umsatzrekorde – am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, gleich neben der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und dem Bundesverteidigungsministerium.

Auch wenn mehr Menschen als noch im vergangenen Jahr ihren Unmut über das Geschäft mit dem Tod kundtaten, fragt sich doch, warum etwa stadtpolitische Proteste mit antikapitalistischer Note wie im April die Mietenwahnsinn-Demo so sehr viel größere Wucht auf die Straße bringen als die Kritik an milliardenschweren Rüstungsexporten. Für beiderlei Missbilligungen sitzen die Adressaten nun mal in der Hauptstadt, in Regierungsämtern und Konzernzentralen.

Verständlicherweise wird mehr Wille zu Protest und Widerstand mobilisiert, wenn der Kapitalismus rüde an die Tür des eigenen Heimes hämmert, statt sich in fernen Kriegsgebieten eine goldene Nase zu verdienen. Das große Gefälle im Publikumszuspruch ist dennoch bedauerlich, ist doch das eine dem anderen artverwandt: Es geht um Profit, unabhängig von den Kosten, solange sie nicht von den Aktionären getragen werden müssen. Das trifft auf Vonovia und Deutsche Wohnen genauso zu wie auf Rheinmetall.

Die Herausforderung für die AktivistInnen ist deshalb, sich nicht damit zu begnügen, die potenziell kritische Öffentlichkeit nur dort zu packen, wo sie selber direkt betroffen ist. Gleichgültigkeit zu überwinden und Solidarität zu wecken sind die Aufgaben, denen sich so­zia­le Bewegungen bei allen Rückschlägen und ermüdender Aufklärungsarbeit stellen müssen. Anders geht es nicht – und eine gute Übung für die wirklichen Mühen der Ebene ist das auch. Daniél Kretschmar

Verständlicher-
weise wird mehr Wille zu Protest und Widerstand mobilisiert, wenn der Kapitalismus an die Tür des eigenen Heims hämmert, statt sich in fernen Kriegsgebieten eine goldene Nase zu verdienen

Daniél Kretschmarüber die Beteiligung an Mieten- und Anti-Rüstungs-Demos

Kopftuch:
Konfusion
komplett

Neues Urteil zum Neutralitätsgesetz

Wieder hat es in dieser Woche ein „Kopftuch-Urteil“ gegeben – und wieder hat dies nicht zu Klarheit darüber geführt, ob das Berliner Neutralitätsgesetz, das Beschäftigten des öffentlichen Dienstes das sichtbare Tragen religiöser Symbole verbietet, verfassungskonform ist oder nicht. Was die interessierte Öffentlichkeit, sei sie pro oder contra dieses Gesetz eingestellt, nur bedauern kann. Denn eine Klärung tut dringend not.

Das Berliner Arbeitsgericht hat am Mittwoch in erster Instanz die Klage einer Lehrerin abgewiesen, die mit Kopftuch an einer Grundschule unterrichten will – was das Neutralitätsgesetz verbietet. Um die Neutralität staatlicher Einrichtungen zu gewährleisten, sei es richtig, dass im Gerichtssaal kein Kreuz hinge, und ebenso richtig, dass Lehrerinnen ohne Kopftuch unterrichteten, hatte der Richter seine Entscheidung begründet. Eine andere Kammer des Arbeitsgerichts hatte 2017 zweitinstanzlich eine fast gegensätzliche Entscheidung gefällt und einer wegen Kopftuch abgelehnten Lehrerin Schadenersatz zugesprochen.

Nun ist die Verwirrung komplett. Ist das Neutralitätsgesetz des Landes Berlin nun gut, gerecht und verfassungskonform – oder diskriminiert es einseitig muslimische Frauen? Darüber gehen die Meinungen auseinander – nicht nur am Gericht.

Ausgelöst hatte diese Verwirrung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2015, das entschieden hatte, ein „Generalverdacht“ gegenüber Kopftuchträgerinnen sei ungerechtfertigt: Es müsse im Einzelfall eine „Bedrohung des Schulfriedens“ durch die Kopftuch tragende Lehrkraft nachgewiesen werden.

Nun verbietet das Berliner Gesetz ausdrücklich nicht nur das Kopftuch, sondern jedes sichtbare religiöse Symbol. Betroffen sind aber bislang überwiegend muslimische Lehrerinnen. Viele – auch führende – grüne und linke PolitikerInnen hatten deshalb das Landesgesetz schon auf der Kippe gesehen und seine Verfassungskonformität angezweifelt. Der aktuelle Gerichtsentscheid widerspricht dem und gibt der Linie der SPD und der Bildungsverwaltung Recht, die am Neutralitätsgesetz nicht rütteln wollen.

Eine Pattsituation also – vor Gericht ebenso wie in der rot-rot-grünen Landesregierung. Und eine völlig unklare Lage für die betroffenen Lehrerinnen.

2017 hatte der Senat die Chance, in Berufung zu gehen. Er hat es nicht getan – und die Entschädigung gezahlt. Vielleicht aus Angst, am Ende doch zu unterliegen? Man kann deshalb nur hoffen, dass nun die aktuelle Klägerin diesen Weg geht. Damit die leidige Frage endlich geklärt wird.Susanne Memarnia

Klug
zurück-
gespielt

Der Senat und Herthas neues Stadion

Hertha BSC ist Berlins wichtigster Sportverein. Man muss sich das vergegenwärtigen, um zu erkennen, wer im Stadion­duell Hertha gegen den Senat derzeit als Sieger vom Platz geht.

Hertha ist seit Jahren unglücklich mit dem Olympiastadion. Denn das ist nach Vereinsmeinung für den Profifußball ungeeignet, vor allem, weil durch die Tartanlaufbahn die Zuschauerränge zu weit vom Spielfeld entfernt seien. Am liebsten will man ein neues, und zwar eine reine Fußballarena.

Der Senat wiederum sorgt sich um die Auslastung des erst für die Fußball-WM 2006 für 250 Millionen Euro umgebauten Olympiastadions. Ohne Hertha, so die nicht unberechtigte Angst, würde der Rasen bald meterhoch wachsen. Am Dienstagabend gab der Senat eine Erklärung ab: Danach hält er einen Umbau des Olympiastadions zu einem reinen Fußballstadion mit nur noch temporärer Tartanbahn für möglich – aber auch einen Stadionneubau auf dem Olympiagelände.

Das klingt unentschieden, ist aber tatsächlich ein klarer Sieg für Sportsenator Andreas Geisel (SPD) – und ein kleiner Affront gegenüber Hertha. Denn man muss auch wissen: Hertha ist, an Titeln gemessen, nicht der erfolgreichste Spitzensportverein der Stadt. Würde das Team zumindest ab und an um die Fußballmeisterschaft oder auf europäischer Ebene mitspielen, hätte das Engagement der Landespolitik deutlich größer ausfallen dürfen, ja müssen. Schließlich rechnet der Senat ja bei jedem anderen Event, das er (mit)finanziert, die Strahlkraft ein und was es den Hotels, Kneipen etc. bringt – etwa beim Karneval der Kulturen.

Wenn Berlins beste Fußballer jetzt glauben, dass die Zukunft nur mit einem neuen Stadion glänzend wird, dann dürfen sie sich gerne eins bauen. Hertha trägt dabei aber alle Risiken und muss die Finanzierung selbst organisieren. Gut möglich also, dass es nie zu einem Neubau kommen wird. Vielleicht pokert Geisel genau darauf. Das Land macht sich jedenfalls nicht vom Erfolg oder Misserfolg von Hertha abhängig. Erst wenn das Stadion wirklich eröffnet werden sollte – was bei Baustellen in Berlin bekanntlich dauern kann –, stünde der Senat vor dem Problem, eine Konkurrenz für das eigene Angebot nicht verhindert zu haben. Bert Schulz