Flüchtlinge hatten eine Botschaft

PROTEST Eine Gruppe von Asylbewerbern besetzt kurzzeitig die nigerianische Vertretung. Sie kritisieren, dass diese an der Abschiebepraxis deutscher Behörden aktiv mitwirkt. Kritik an Polizeieinsatz

Im Innenhof der nigerianischen Botschaft in Mitte stehen Mütter mit Kinderwägen, die ihren neuen Pass abholen wollten. Doch aus einem Fenster schreit ihnen ein Mann mit Megafon entgegen, der mehr Rechte für Flüchtlinge fordert, und von draußen sind noch mehr Männer zu erkennen, die Fahnen schwenken.

Zehn Aktivisten des Flüchtlingscamps am Kreuzberger Oranienplatz, darunter sechs Nigerianer aus Baden-Württemberg, haben die Botschaft am Montag besetzt. Etwa 30 Unterstützer zeigten davor Transparente und riefen Parolen wie „No border, no nation – Stop deportation“.

Einer der Besetzer ist Charles Enoruwa. „Wir wollen damit gegen die Botschaftsanhörungen protestieren“, sagt er. Dabei werden Flüchtlinge, deren Nationalität nicht eindeutig feststellbar ist, auf die Botschaften geladen. Meist sind es Delegationen aus dem jeweiligen Land, die dann die Dialekte der Flüchtlinge analysieren und ihnen gegebenenfalls ein Ausreisevisum ins eigene Land ausstellen. Deutschland unterstützt diese Praxis.

Obwohl es bereits im Sommer zu Protesten vor der Botschaft Nigerias kam, zeigen sich deren Mitarbeiter am Montag von den Protesten überrumpelt. „Die sind einfach reingestürmt und haben eine Menge Lärm gemacht“, klagt einer. Auch die Polizei schien nicht vorbereitet. Als der Aktivistentreck bei der Botschaft eintraf, traten die zehn Besetzer einfach ein – und blieben.

Zwanzig Festnahmen

Dafür war das Auftreten der Beamten danach umso massiver: Mehr als zwanzig Mannschaftswagen rückten an, um die Besetzer aus dem Haus zu tragen, unter lautem Protest der draußen versammelten Demonstranten. Sie kritisierten anschließend „brutales“ Vorgehen der Polizei, diese bestätigte den Einsatz von Pfefferspray. Laut einem Sprecher gab es 20 vorläufige Festnahmen, darunter auch die zehn Botschaftsbesetzer: Ihnen werden Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen.

Viele der Botschaftsbesucher können das Motiv der Proteste nur zum Teil nachvollziehen. „Ich verstehe das, aber dann müssen die bei der deutschen Regierung protestieren“, so eine der Frauen mit Kinderwagen.

JOHANNES WENDT