Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Volksmusik von woanders

Dass Pop geografische Ortsbestimmungen obsolet macht, stimmt nur so halb. Klar, Pop ist die eigentliche Weltmusik, die aus und in Tunguska genauso klingen kann wie in ­Seattle – oder in diesem speziellen Fall: von der Weser wie aus den Appalachen. Wichtig ist es aber dann doch, dass Dad Horse Ottn sein ur-amerikanisches Banjo in Bremen spielt. Weil er trotz vorsätzlich fiesen Zischelns in der englischen Aussprache („And you’ll be danßing srough se town“) klingt, als käme er von weit weg. Das Banjo ist schließlich eine Muttersprachlerin und außerdem: Wer hat im Wilden Westen schon akzentfreies Englisch gesprochen?

Ums Kultivieren der Fremdheit geht es auch musikalisch: Country, Gospel, Singer-Songwriter, so ein Polkagerumpel und eine Grundhaltung, die immer mal wieder als Punk verstanden wird. Wer genug Genres misch, ist eine Weile nirgendwo zu Hause – und irgendwann kommt Identität dabei heraus. Gemeint hat Ottn das seinem „I’m not here anymore“ eher nicht, aber es passt: „I’m not here anymore / You can’t hear me anymore / But one day I will rejoice.“

Sonst singt er meist eher Trauriges: vom toten Hund auf dem Highway – oder von seiner Mutter, die er im Himmel noch mal singen hören würde, als räudiger Sünder aber nicht rein darf. Traurig ist nur der Text, die Musik macht gute Laune und Ottns Stimme klingt ja eh aus rotzig-trotziger Distanz. Ausnahmsweise auf Deutsch hat er mal gesungen: „Ich hab mir heute ein Bein ausgerissen / Ich werd es vermissen, aber ganz war ich eh nie.“

Wie die Musik selbst einen zwingt, sich dagegen zu wehren, von ihr eingelullt zu werden – das ist schon ein feiner Zug. Mit seiner Sprache, der geografischen Verrückung und dem Verhältnis von Text und Musik markiert Ottns Dead Horse Experience mindestens drei Brüche im sonst geschlossenen System autochthoner Musik. Und das passiert übrigens erstaunlich oft gerade in diesem Americana-Segment. The Dead South verunsichern ganz ähnlich mit ihrem kanadischen Südstaaten-Bluegrass. Und der wiederum war ja immer schon Mixtur aus Irisch-Englisch-Afrikanischem und Jazz, wobei …, ach. Wo sich die Genese verhaspelt, kommt frische Luft rein – und Pop macht die Ohren frei für zauberhafte Musik. Und im Kopf woanders zu sein, tut ja gerade dann gut, wenn man nicht recht weiß, wo eigentlich.

Sa., 5. 5., 20 Uhr, Schule 21