die woche in berlin
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Die Chefin des Flüchtlingsamtes muss gehen, die zuständige Senatorin hüllt sich über Gründe und Zukunftspläne in Schweigen. „Wowi“ tut seinem Andenken mit seinem neuen Buch keinen Gefallen. Der 1. Mai ist trotz allem der beste Feiertag, den wir haben. Und der Abgang des Eisbären-Trainers wirft ein schlechtes Licht auf die Vereinsführung

Viel Raum für Spekulation

Flüchtlingsamts-Chefin musste gehen

Die Entlassung der Präsidentin des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten, Claudia Langeheine, durch Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) bleibt rätselhaft – vor allem deshalb, weil Breitenbachs Äußerungen dazu höchst rätselhaft sind.

Am Montagabend hatte sie per Pressemitteilung erklärt, man trenne sich „in gegenseitigem Einvernehmen“. Eine übliche Floskel, ebenso wie das folgende Lob des „außerordentlich hohen Engagements“ der Geschassten. Aufhorchen ließ allein folgender Satz: Grund der „Beendigung der Zusammenarbeit“ – es war ja offiziell keine Entlassung – „sind unterschiedliche Vorstellungen über die Weiterentwicklung des Landesamtes“.

Nun wäre dies in der Tat ein guter Grund – doch wüsste man zu gern, was denn die diesbezüglichen Vorstellungen der Senatorin sind. Dazu aber hat sie sich auch am Donnerstag im Sozialausschuss nur höchst nebulös geäußert mit dem etwas fadenscheinigen Hinweis, sie müsse ihre (ehemalige) Mitarbeiterin schützen, „die Präsidentin einer nachgeordneten Behörde hat kein politisches Amt inne“.

Breitenbach selbst aber schon. Und die Öffentlichkeit hat wohl ein Recht, zu erfahren, wie es weitergeht mit einer Behörde, deren verantwortungsvolle Aufgabe es ist, immerhin noch rund 25.000 Geflüchtete menschenwürdig unterzubringen. Dennoch war die einzige Aussage Breitenbachs am Donnerstag dazu eine Binsenweisheit: dass nämlich das LAF umgebaut werden müsse, weil nur noch wenige Flüchtlinge kommen, derzeit rund 700 pro Monat statt pro Tag wie 2015.

So bleibt viel Raum für Spekulation: Will Breitenbach das Amt, dessen „Freundin“ sie nach eigener Aussage nie war, verkleinern, will sie Personal abbauen – musste Langeheine deshalb gehen? Ist die Senatorin, trotz gegenteiliger Beteuerungen, unzufrieden, weil das LAF offenbar weiterhin Probleme bei der Abrechnung mit Heimbetreibern hat, wie diese beklagen? Wieso gibt es noch immer keine unabhängige Beschwerdestelle für Geflüchtete, die Pro­bleme in ihrem Heim haben, eine Art „Heim-TÜV“, den der Koalitionsvertrag versprochen hat? Wollte Langeheine das nicht, weil die Kontrolle der Heime bislang Amtsaufgabe war?

Die Liste der offenen Fragen ließe sich fortsetzen. Als Breitenbach noch Oppositionelle war, schaute sie dem Amt, das damals noch Lageso hieß, streng auf die Finger und forderte vom zuständigen Sozialsenator in allen Belangen Aufklärung. Nun ist sie selbst oberste Chefin der Behörde und lässt sich nicht in die Karten blicken. Leider haben wir keine Opposition mehr, die das Thema interessiert.

Susanne Memarnia

Er ist wieder da

Klaus Wowereit hat ein Buch geschrieben

Diese Sehnsucht nach charismatischen Politikern ist schon erstaunlich. Zum Beispiel im Falle von Klaus Wowereit und Berlin. Der SPD-Politiker war Ende 2014 von seinem Posten als Regierender Bürgermeister zurückgetreten und danach langsam, aber sicher in der Versenkung verschwunden. Kein Pöstchen, mit dem er sich die Zeit vertreiben konnte; keine Kolumne in BZ oder Bild, die ihm ab und zu eine Schlagzeile gebracht hätte. Am Freitag ist nun ein Buch von ihm erschienen. Fast alle Medien brachten deshalb großformatige Interviews mit „Wowi“. Und tatsächlich schrieben selbst als seriös geltende Berliner Zeitungen jenen Satz, der hier in der Überschrift steht: „Jetzt ist er wieder da!“

Das ist natürlich Quatsch. Zu seiner Exhumierung als Politiker taugt das Buch mit dem reichlich zähen Titel „Sexy, aber nicht mehr so arm: mein Berlin“ nämlich nicht. Wowereit fehlt darin der Mut zur These und zu pikanten politischen Aussagen; die von den Boulevardmedien herbeifantasierte „Abrechnung mit Rot-Rot-Grün“ (Bild) lässt sich aus dem Buch wirklich nicht herleiten. Stattdessen liest man auf den 256 Seiten vor allem Wowereits Angst he­raus, dass seine – seiner Meinung nach natürlich historischen – Leistungen in den 13,5 Jahren an der Spitze Berlins vergessen oder verkannt werden könnten. Stichwort BER und der weltweite Ruf der Stadt als Chaosmetropole.

Dem inzwischen 64-Jährigen fehlt offensichtlich eine Aufgabe, die ihn ausfüllt; viele Medien würden ihm die gerne wieder zugestehen, wie die Berichterstattung über sein Buch belegt. Das ist durchaus auch als formale Kritik an Wowereits Nachfolger Michael Müller zu verstehen. Vergessen ist, wie harsch die Kritik seit 2011 war, als Wowereit Berlin mit der von ihm gebildeten SPD-CDU-Koalition in eine fünfjährige Lethargie führte. Vergessen ist auch die harsche Kritik der Medien an der Kaltschnäuzigkeit, mit der er Kritik an ihm und den Zuständen in der Stadt geflissentlich ignorierte.

Wenn „Wowi“ heute sagt, er habe in seiner Regierungszeit nie an Rücktritt gedacht, gilt das als Coolness. Damals nannte man es ignorant gegenüber der Wirklichkeit. Bert Schulz

Der ehrlichste Feiertag

Der 1. Mai war am Ende doch revolutionär

Die Revolution mag vielleicht tot sein, revolutionär war dieser 1. Mai trotzdem. Was wir am Dienstag in Berlin auf den Straßen gesehen haben, fasst perfekt zusammen, was in unserer politischen Kultur gerade passiert.

Die traditionelle DGB-Demo durch Berlin-Mitte wirkte so blass, weil mit 14.000 Demonstrierenden noch weniger kamen als in früheren Jahren. Dabei mangelt es den Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnen gar nicht an Inhalten: Die Berliner Feuerwehr weiß zum Beispiel sehr wohl, was sie möchte – nicht mehr 48 Stunden die Woche arbeiten müssen und den gleichen Lohn wie ihre überregionalen KollegInnen bekommen. Diese Nöte und diese Forderungen bleiben. Es wirkt aber schal, wenn jene, die die Zustände zu verantworten haben, neben denen laufen, die sie kritisieren. Was man als Miteinander lesen könnte, wird als Heuchelei verstanden. Für die, die sich engagieren, ist die Demo trotzdem wichtig: Um sich zu vergewissern, dass da noch jemand ist, dass man nicht ganz allein dasteht.

Und in Kreuzberg? Da kann der radikalen Linken eigentlich nur zum Heulen sein. Die Revolutionäre 1.-Mai-Demo irrte am Abend wie ein verstörter Tiger im Kolosseum durch die Gassen, bejubelt vom Feierpublikum des MyFest und MaiGörli. Es nützte alles nichts. Noch nicht einmal die auf den letzten Metern formulierte Provokation, bitte ganz viele verbotene PKK-Fahnen zu zeigen, konnte genug ärgern. Die Berliner Polizei reagierte lässig. Am Ende war ihr das Schauspiel so egal, dass die übliche Pressekonferenz am nächsten Tag einfach ausfiel. Von den 20.000 Demonstrierenden 2014 waren laut Polizeiangaben noch 6.000 übrig geblieben. Ein ähnliches Bild gab es übrigens in Hamburg. Dort urteilte die Polizei über die Revolutionäre 1.-Mai-Demo, es sei „der friedlichste Einsatz seit Jahren“ gewesen.

Eine Überraschung gab es dann aber doch, im Grunewald. Eine Gruppe, die sich der „Hedonistischen Internationalen“ verschreibt, hatte dort medienwirksam zu einer Demonstration durch den „Problembezirk“ aufgerufen. Die Satire-Demo war gut, weil sie konkret war. Aus 200 angemeldeten Demonstrierenden wurden 3.000. Der Humor mobilisierte, am Ende ging es trotzdem um Umverteilung und soziale Gerechtigkeit. Genau das ist DNS des 1. Mai – und seine vielen Widersprüche, die ihn zum ehrlichsten Feiertag machen, den wir haben. Katharina Meyer zu Eppendorf

Die Revolutionäre 1.-Mai-Demo irrte wie ein verstörter Tiger im Kolosseum durch die Gassen, bejubelt vom Feierpublikum

Katharina Meyer zu Eppendorf über den 1. Mai in Berlin

Ein
eisiger
Abschied

Abgang von Eisbären-Trainer Uwe Krupp

Die Eisbären haben in der vergangenen Spielzeit fast alles richtig gemacht. Sportlich, aber auch in der Außendarstellung. Sie haben einen personellen Umbruch und Neuaufbau bewältigt, ohne ihre Identität zu verlieren. Sie haben im jetzt schon legendären DEL-Finale leidenschaftlich gegen die Red-Bull-finanzierte Münchner Überlegenheit gekämpft; couragiert, bodenständig und irgendwie anders. Stilvoll.

Dass die Eisbären genauso zu einem Konzernimperium gehören wie die Münchner, nur eben einem, das weniger Geld frei macht als Red Bull, war für einen Moment nebensächlich. Stil ist ein zu Unrecht unterschätztes Gut im Sport. Umso erstaunlicher deshalb, wie stillos der Verein nun bei der Trennung von dem verdienten Chefcoach Uwe Krupp auftritt.

Der Eisbären-Inhaber AEG wirkte schon in der Vorsaison so, als habe er nicht allzu viel Vertrauen in den Trainer. Gesicht sein durfte Krupp, im Hintergrund setzte man ihm Assistenten vor die Nase. Eine Vertragsverlängerung zögerte die Leitung so lange hinaus, dass Krupp nun hinschmiss. Angeblich suchte Sportdirektor Richer nach Alternativen. Offenheit sieht anders aus. Krupp, der nun nach Prag wechselt, klagte jetzt öffentlich über fehlenden Rückhalt und mangelnde Einbeziehung in die Planungen des Clubs. Im Management nimmt man das achselzuckend hin: „Das ist ab und zu so in unserem Business“, kommentierte Richer die Trennung.

Seine Beteuerung, er sei über den Abschied geschockt, mochte kaum jemand glauben. Der schärfere Wind kommt offenbar aus der US-Zentrale, wo AEG sich endlich wieder Rendite für sein Investment wünscht und verstärkt durchgreift. Sportlich ist es schwer verständlich, Krupp nach seiner starken Arbeit der letzten Jahre so ziehen zu lassen. Und vor allem war der Umgang unwürdig. Der Fall erinnert ein wenig an Union: auch das ein Verein, der sich erfolgreich mit dem gewissen Etwas inszeniert und einen Erfolgstrainer im Streit entließ, weil man noch schneller noch mehr wollte. Union befindet sich seitdem im freien Fall. Die Eisbären dürften mit dem bisherigen Assistenten Clément Jodoin, der wohl die Nachfolge Krupps übernimmt, eine bessere Wahl getroffen haben. Jodoin gilt als enorm kompetent, erfahren und in der Mannschaft populär. Ein fader Beigeschmack aber bleibt. Alina Schwermer