Bernhard Pötter Wir retten die Welt: Gesucht: Oberkumpel für Kohlekommission
Seit Langem bin ich Harry-Potter-Fan. Erstens habe ich seit den Büchern nie und nirgendwo mehr Probleme, meinen Namen zu buchstabieren („like Harry Potter, only with oe“). Und zweitens hat er uns den Mega-Schurken Lord Voldemort beschert, dessen Namen aber niemand nennen darf – aus Angst, sonst käme der gleich um die Ecke.
So geht es derzeit auch mit der Kohleausstiegskommissio… äh, nein, der „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, die Lord Voldemo… äh, nein, Wirtschaftsminister Peter Altmaier in diesen Tagen zusammenstellt. Die Gruppe soll bis Ende des Jahres klären, wie und wann und wie teuer Deutschland aus der Braunkohle aussteigt. Das wird nicht lustig. Denn vier Ministerien, diverse Bundesländer, Gewerkschaften, Regionen, Unternehmen, Kirchen und Umweltverbände müssen sich dabei einigen. Und die Zeit drängt. Der Sommerurlaub ist gestrichen.
Ganz schwierig also, eine Chefin oder einen Chef für dieses Grubenfahrtkommando zu finden. Wollen wir einen erfahrenen Vorsitzenden, nehmen wir natürlich Klaus Töpfer. Der hat schon den Atomausstieg II verhandelt. Wir könnten aber auch Margot Käßmann fragen, die hat das Lutherjahr organisiert. Sigmar Gabriel kennt das Metier, hat aber wahrscheinlich einfach keinen Bock. Gunter Gabriel immerhin hatte den Slogan, auf den es am Ende hinauslaufen wird: „Hey, hey, Boss, ich brauch mehr Geld!“
Wollen wir Expertise? Rainer Baake, Mister Energiewende, hat derzeit nichts zu tun. Hildegard Müller, Mistress Energiewendebremserin bei ehemals BDEW und innogy, kommt ihr Job gerade abhanden. Joschka Fischer grübelt in einer anderen Kommission darüber nach, wie der Siegeszug der Erneuerbaren die Geopolitik verändert. Entschuldigung akzeptiert.
Wer hätte überhaupt Zeit? Ex-VW-Boss Matthias Müller kennt sich mit sterbenden Industrien aus. Sein Opel-Kollege Karl-Thomas Neumann wird pünktlich nach Ende seines Vorstandsmandats vernünftig. Oder warum bitten wir nicht die Verursacher des Schlamassels, den Müll runterzubringen: Ex-RWE-Chef Peter Terium ist mit Fernsehen und Rosenzüchten doch genauso wenig ausgefüllt wie Ex-Ex-RWE-Chef Jürgen Grossmann. Und was macht eigentlich Wolfgang Mitzinger, der letzte Energie- und Kohle-Minister der DDR? Von wegen Ossis: Wolfgang Thierse? Für einen guten Kompromiss ist er immer zu haben. Oder Frank Schöbel für die Lausitz und Herbert Grönemeyer für tief im Westen, wo die Sonne verstaubt.
Das beste Cross-over aber aus deutlicher Ansprache, Durchsetzungsfähigkeit, street credibility bei den Kohlekumpeln, Standfestigkeit in langen Nächten und No-bullshit-Attitüde: Kollegah (!) und Farid Bang. Wenn sie es schaffen, bis 2020 sieben Gigawatt Braunkohle vom Netz zu nehmen, gibt’s einen Echo für ihr Lebenswerk.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen