Die Menschen werden gern besinnlich

INDIEHOP Der Computermusiker Balam Acab ließ es in der Volksbühne Herbst werden, die Band Why? übte sich in Selbstbespiegelung

Die goldene Jahreszeit feiert fröhliche Urständ. Es wird kälter, regnet und windet viel, und die Blätter färben sich langsam gelb. Menschen werden da gern besinnlich. Auch der US-amerikanische Landschaftsmusiker Alec Koone alias Balam Acab, der am Montag in der Volksbühne das Konzert seiner Landsleute von der Indierockband Band Why? eröffnete, schien von saisonalen Stimmungen beflügelt, als er seinen Auftritt mit Projektionen von allerlei buntem Laub dekorierte.

Ruhig dahinplätschernde Wasserklänge, tiefe, erdenschwere Bässe und vogelgleich vorbeihuschende Klänge entlockt der junge Musiker aus dem waldreichen Pennsylvania seinem Laptop, um eine scheinbar unbedarfte Melancholie zu verbreiten, die wenig mit dem spukhaften Label „Witch House“ verbindet, das man seiner Musik noch vor zwei Jahren aufgeklebt hatte, als dieses Wort plötzlich in aller Munde war – bevor es sich dann fast ebenso schnell wieder aus dem Hype-Geschehen verabschiedete.

Geisterhaft könnte man höchstens die Stimmen in seinen Stücken nennen, denn Balam Acabs prägnanteste musikalische Signatur sind die hochgepitchten Piepsgesänge, die von Verlust und anderem Schwund künden. Eigentlich paradox, dass genau das gleiche stilistische Mittel, mit dem eine Künstlerin wie Blümchen in den Neunzigern quietschig überdrehte Lebensfreude zum Ausdruck brachte, hier das genaue emotionale Gegenteil zu transportieren scheint.

Tau ohne Ton

Ein schöner Auftakt für den Abend, sieht man einmal davon ab, dass Koone im Grunde einen einzigen Gefühlszustand in geringfügigen Variationen erkundete. Ironischerweise gehörte zu den besten Momenten seines Sets der Anfang, als schon die Bilder von taubenetztem Wiesengras und Wassertropfen auf der Oberfläche eines Sees zu laufen begonnen hatten, der Rest der Technik aber nicht recht mitspielen wollte, sodass man einige Minuten – von vereinzeltem Gekicher im Publikum abgesehen –gar nichts hörte. Umso stärker wirkten die ersten Töne, als die Verschaltungen dann endlich ihren Dienst taten.

Ähnlich erging es einem mit der Band Why? um den Rapper Yoni Wolf, der seine ums eigene Ich kreisenden poetischen Ergüsse von Gitarre, Bass, E-Piano und doppeltem Schlagzeug untermalen lässt. Hier waren ebenfalls die ersten Minuten die erfreulichsten, in denen die beiden kundigen Herren an den Trommeln ein dezent komplexes Rhythmusgewebe wirkten, zu dem die übrigen Musiker zarte mehrstimmige Gesänge erklingen ließen.

Kurz darauf betrat Yoni Wolf die Bühne, um mit nasalem Sprechgesang und einem sichtlichen Behagen an der eigenen Bühnendarbietung zu den aufgesetzt zwischen Folk, Indierock und Reggae changierenden Tönen seiner Kollegen Einsichten zu verschenken wie „God put a song on my palm that you can’t read“. So, so. Wir können’s nicht lesen, und Gott soll schuld daran gewesen sein. Das fehlte gerade noch. TIM CASPAR BOEHME