wortwechsel
: Es ist ein Kreuz mit den Religionen – und Bayern

Kopftuchverbot hier und Kreuzgebot dort. Kulturkampf für Kind und Heimat. Lager für Geflüchtete und Handgranaten für die Polizei. Wo sind wir hier eigentlich?

Noch ist es eine Simulation: Drei-Religionen-Haus für Dialog, Berlin Foto: Abb.: Kuehn Malvezzi

Das Kindeswohl

„Das Kopftuch gefährdet das ­Kindeswohl“, taz vom 17. 4. 18

Vielen Dank für das Interview mit Sonja Fatma Bläser. Diese Frau weiß, wovon sie spricht, und argumentiert sehr differenziert und kenntnisreich. Das Kindeswohl ist sehr viel wichtiger als die sogenannte Religionsfreiheit, die leider in vielen Beiträgen der taz als primärer Verfassungsgrundsatz dargestellt wird.

Verstehe ich Heide Oestreich richtig, dass die Kindstaufe verboten werden müsste, wenn kleine Mädchen kein Kopftuch mehr tragen dürfen? Wer sich gegen das Kopftuch auf Kinderköpfen wendet, ist ein Islamfeind (und unterscheidet sich ergo nicht von Nazis)? Was für eine ­abstruse Argumentation! Ulrike Mallwitz-Lehwald, Berlin

Zum Zopf gezwungen

„Verschleierungstaktik“, taz vom 18. 4. 18

In den vergangenen Wochen habe ich einige Beiträge zu einem Kopftuchverbot für Mädchen gelesen. In keinem davon wurden Kindern eigene Entscheidungen zugetraut. Sie werden nur als Objekt gesehen, und das schüttelt mich. Es ging um Eltern, die ihre Tochter zwingen, ein Kopftuch zu tragen. Es ging auch um Eltern, die es ihrem Kind verbieten. Wenn es darum ging, dass ein Mädchen Lust hat, ein Kopftuch zu tragen, zum Beispiel um sich erwachsen zu fühlen oder einer älteren Schwester nachzueifern, dann stand im Vordergrund, dass und wie die Eltern eingreifen. Oder Behörden.

Auch Kinder können denken und entscheiden. Bezugspersonen sollten eingreifen, wenn Kinder mit ihrer Entscheidung sich oder anderen schaden. Im Winter im T-Shirt loszuziehen – wohl nicht so gut.

Wer seine Tochter in aufreizende Kleidung zwingt, schadet vielleicht dem Kindeswohl. Wer dem Kind verbietet, einen Rock zu tragen, vielleicht auch. Wer ein Mädchen zu Zöpfen oder zu Kopftuch zwingt, handelt vielleicht auch gegen das Kindeswohl. Solche Gefahren sollten Maßstab sein, dass der Staat einschreitet, unabhängig von der Weltanschauung der Erwachsenen. Wenn sich aber ein Kind an einem Tag für Zöpfe oder ein Kopftuch entscheidet, dann ist diese Entscheidung zu respektieren.

Stefan Diefenbach-Trommer, Marburg

Jesu Nächstenliebe

„Karlsruhe, Kruzifixe und Krawall“, taz vom 26. 4. 18

Als Christ begrüße ich es, dass Bayerns Ministerpräsident Söder mit seinem Kabinett eine Diskussion über Kreuze ausgelöst hat. Seiner Behauptung, das Kreuz sei kein Zeichen einer Religion, muss ich aber widersprechen, denn es ist das wohl verbreitetste christliche Symbol. Es erinnert an Jesus Christus, der vor etwa 2.000 Jahren auf Golgatha damit hingerichtet wurde und drei Tage später wieder von den Toten auferstand. Bis heute ist das eine Zeitenwende und ein Hoffnungszeichen, denn der Tod ist nicht das Ende und nach Karfreitag (Tod) folgt Ostern (Auferstehung). Das Christentum ist in der Öffentlichkeit immer weniger zu sehen. Von Jesu Lehre der Gottes-, Nächsten- und Feindesliebe will diese Gesellschaft immer weniger wissen und täte doch gut daran, sich wieder mehr darauf zu besinnen. Joachim Fischer, Bremen

Kruzifix und Kreuz

„Karlsruhe, Kruzifixe und Krawall“, taz vom 26. 4. 18

Immer wieder ärgert es mich, wie leichtfertig in der Presse Kreuz und Kruzifix gleichgesetzt werden. Ein Kruzifix ist ein Kreuz mit der Darstellung des leidenden Christus. Zu Recht wurde damals darüber gestritten, ob man diese Darstellung den Schulkindern zumuten kann. Ein einfaches Kreuz, so wie es Söder aufhängen will, ist ein Symbol, so wie der türkische Halbmond. Zur Klarstellung: Auch ich finde Söders „Kreuzzug“ unsäglich und vor allem die herumeiernde Begründung.

Ulrike Ruppert, Würzburg

Nix Frommes mehr

„Karlsruhe, Kruzifixe und Krawall“, taz vom 26. 4. 18

Endlich geht’s mit der Heimat voran. Kreuz in jeder Behörde kann nur ein Anfang sein. Der Kirchgang muss wieder kontrolliert und honoriert werden, früher ein Votivbildlein für jeden Kirchenbesuch, heute wären Punkte bei Hartz IV angemessen; und dann in der Kirche die Frauen wieder links, die Männer rechts, die Frauen nicht ohne Kopftuch. Dann würd ich auch wieder gern in die Kirche gehen. Weil so mit dem Naggerten, das ist ja nix Frommes mehr.

Hans Raab, Neustadt/Rheinbayern

Gefährliches Werkzeug

„Die Große Verunsicherung“, taz vom 19. 4. 18

Woran merke ich, dass ich aus der Zeit gefallen bin? Wenn ich „N-Wort“ googeln muss? Wenn ich die Tatsache, dass der Begriff „Political Correctness“ wegen Rechts-Verdachts auf dem Index steht, als einen Fall von Political Correctness sehe? Political Correctness (PC) in ihrer harmlosen Form hinterfragt, ob bestimmte Begriffe und Formulierungen eine diskriminierende Bedeutung haben. Das kann nützlich sein: Sprache ist ein gefährliches Werkzeug – Warnschilder sind in vielen Fällen nötig.

Die aggressive PC erstellt einen Index des Verbotenen. Dieser Index enthält nicht nur Diskriminierendes, sondern Unerwünschtes im weiteren Sinne. Verstöße gegen diesen Index werden bestraft, im Extremfall mit Exkommunikation. Da kommt ein(e) AutorIn/Autor_in/Autor*in schon ins Schwitzen.

Ob diese Art der Spracherziehung etwas bringt, kann in manchen Fällen bezweifelt werden. Wenn der Begriff „handicapped“ (behindert) durch „differently able“ (anderswie fähig) ersetzt wird (das habe ich 1998 als Arbeitsanweisung bekommen), schafft das keine Barrierefreiheit. Möglicherweise verschleiert der neue Begriff sogar die Notwendigkeit von unterstützenden Maßnahmen.

Wird das N-Wort aus der Sprache gelöscht, werden auch Assoziationen zur Geschichte von Sklaverei und Kolonialismus gelöscht. Das Risiko von AfroamerikanerInnen, von weißen PolizistInnen erschossen zu werden, wird aber nicht reduziert.

Thomas Damrau, Böblingen

Bayerisches Wesen

„Alle sollen raus“, taz vom 24. 4. 18

Es ist nur zu hoffen, dass die „Lex Bavaria“ nicht auf das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet wird. Wenn schon die kleinsten Vergehen aus einem Geflüchteten einen „Gefährder“ machen, der abgeschoben werden kann, hat das mit einer maßvollen Asylpolitik nichts mehr zu tun. Nachhelfen soll dann noch die erweiterte DNA-Analyse, die zu einem Generalverdacht gegen Minderheiten führen kann. Am bayerischen Wesen soll die Welt genesen?

Angst jagt einem doch viel mehr die Vorstellung ein, dass die PolizistInnen in Bayern künftig mit Handgranaten ausgestattet werden sollen. Da nützen auch die Kreuze in den Amtsstuben wenig.

Helga Schneider-Ludorff, Oberursel

Streicht C und S

„Seehofers Lager? Nicht mit der Bundespolizei“, „Galoppierende Kehrtwenden“, taz vom 26. 4. 18

Wenn selbst der GdP-Vorsitzende von Lagern spricht, weil er alles andere für „verbale Kosmetik“ hält, warum benutzt die taz dann unkritisch und unreflektiert den Begriff „Ankerzentren“? Anker soll dabei die Abkürzung für „Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung beziehungsweise Rückführung“ sein, wobei unser Heimatminister leider den Teil „kommunale Verteilung beziehungsweise“ vergessen hat. Daran sieht man, worum es wirklich geht.

Während in der Abkürzung „Anker“ Buchstaben fehlen, sind in „CSU“ zwei zu viel enthalten, eigentlich reicht U. Der Mangel an christlichen Werten und so­zia­ler Politik wird aber getreu dem katholischen Glauben durch Buße wettgemacht: Kreuze in allen öffentlichen Einrichtungen! Die SPD regiert in Deutschland formal mit, die AfD real. Harald Gruhl, Lehrte