Giftwolke schwebte über Miracoli-Fabrik

ERNÄHRUNG In Niedersachsen müssen nach einem Unfall bei Kraft 1.300 Menschen evakuiert werden

„Niemand wurde verletzt, was bei einer solchen Katastrophe ungewöhnlich ist“

BERLIN taz | Im niedersächsischen Bad Fallingbostel waren auch gestern Nachmittag noch etwa 1.300 Menschen evakuiert. Am Vortag hatten die Behörden Katastrophenalarm ausgerufen, nachdem es im größten europäischen Lebensmittelwerk des US-Konzerns Kraft eine Explosion gegeben hatte.

Offenbar hatten Arbeiter gegen Mittag versehentlich Salpetersäure in einen Tank mit Natronsäure gefüllt. Die Substanzen werden normalerweise in verdünnter Form zum Reinigen der riesigen, bis zu 50.000 Liter fassenden Tanks verwendet, in denen die Zutaten für Produkte wie Philadelphia, Jocca oder Miracoli gelagert werden.

Nach Angaben der Unternehmenssprecherin Heike Hauerken wurde sofort die örtliche Feuerwehr benachrichtigt und das Gelände geräumt. Zum Zeitpunkt des Unfalls waren etwa 250 Beschäftigte vor Ort. Außerdem wurden etwa 800 Menschen aus einer angrenzenden Siedlung in Sicherheit gebracht.

Als die Feuerwehr gegen Montagabend die Flüssigkeiten abzupumpen begann, vermischten sich die Flüssigkeiten offenbar intensiver und explodierten. Die aufsteigende Giftgaswolke sei aber sofort mit Wasser niedergeschlagen worden, berichtet Andreas Pütz vom zuständigen Landkreis Heidekreis. Dennoch wurden vorsorglich weitere Bewohner der 12.000-Einwohner-Stadt evakuiert und bei Freunden oder in Turnhallen untergebracht. Auch die Autobahn A 7 war kurzzeitig gesperrt.

Am Dienstagmorgen spitzte sich die Lage dann noch einmal zu, als sich die Temperatur in dem Behälter auf etwa 100 Grad erhöhte und die Rettungskräfte fürchteten, er könne bersten. Inzwischen waren auch Feuerwehrleute aus Hamburg eingetroffen, die mit einem Spezialgerät die Luftqualität maßen. Nach Angaben des Landkreis-Sprechers waren die Werte aber völlig unbedenklich.

Stundenlang kühlten die Sicherheitskräfte den Tank und pumpten das Gemisch weiter ab. Zeitweise waren 700 Sicherheitskräfte mit der Unfallbekämpfung beschäftigt, nach Angaben von Spiegel Online auch Bundeswehrangehörige.

Gestern Nachmittag wollte Landkreis-Sprecher Andreas Pütz zwar noch nicht endgültig Entwarnung geben, äußerte sich aber optimistisch, dass die Gefahr bis zum Dunkelwerden gebannt sei. „Zum Glück ist niemand verletzt worden, was ja bei einer so großen Katastrophe wirklich ungewöhnlich ist“, sagte er zur taz.

Kraft-Sprecherin Heike Hauerken versicherte, was Leute ihres Berufsstands in solchen Situationen tun: Ihr Unternehmen lege auf Sicherheit größten Wert und werde den Unfall genaustens analysieren, um eine Wiederholung auszuschließen. AJW