Kind sieht rote Karten

Hannover 96 bleibt ein völlig zerrissener Club

Von Christian Otto

Bis in den späten Abend wurde gestritten, gezählt, gemacht und getan. Rote Abstimmungskarten hoch, grüne Karten hoch, auszählen, weiter im Text: Auf diese Weise kann man das Ende einer höchst sommerlichen Woche in einer düsteren Sporthalle auch einläuten. Auf der Mitgliederversammlung von Hannover 96 ist am Donnerstagabend bewiesen worden, wie zerstritten dieser Verein ist.

Vereinspräsident Martin Kind will den Club nach seinem Gusto voranbringen, für Investoren öffnen und sich dabei nicht reinreden lassen. Seine Gegner fühlen sich ohnmächtig, weil Kind ihrer Ansicht nach zu wenig Demokratie zulässt. Echte Brücken zu einem Konsens sind nicht in Sicht, daran hat auch die Mitgliederversammlung nichts geändert. Klar wurde aber, dass die Entscheider auf dem Podium unterschätzt haben, mit wie gut informierten und hartnäckigen Mitgliedern sie es zu tun haben. Mit denen einen konstruktiven Dialog zu führen, ist aber wieder nicht gelungen. Im Gegenteil: Dank des Votums einer Opposition aus kritischen Fans haben die Mitglieder ihr Misstrauen gegenüber dem Vorstand um Martin Kind und dem Aufsichtsrat zum Ausdruck gebracht und dem Vorstand viele rote Abstimmungskarten gezeigt.

Die Mitgliederversammlung sorgte für ein Bild des Jammers. Mehr als fünf Stunden lang wurde polarisiert, ohne mit den rund 1.120 anwesenden Mitgliedern einen echten Schritt voranzukommen. Die entscheidende Frage, ob die Vereinssatzung zu Gunsten von Mitgliedern geändert wird, die gerne bei allen wesentlichen Sachverhalten mitent­scheiden möchten, wurde um 23.25 Uhr beantwortet – mit einem Nein.

Sekunden, nachdem bekannt war, dass der Vorstand seinen Kurs selbstbewusst fortsetzen kann, leerte sich der Ort der Versammlung. Die Fronten zwischen Vereinsführung und Mitgliedern haben sich an diesem Abend weiter verhärtet. Zwar musste die Vereinsführung eine Ohrfeige hinnehmen, aber die Mitglieder haben trotzdem vorerst keine Handhabe, die Arbeit des Vorstandes direkt zu beeinflussen. Kind wird seine Vorstellung von der Weiterentwicklung der Fußballfirma Hannover 96 fortsetzen. Und viele seine Gegner werden ihn dafür verfluchen.

Am heutigen Samstag spielt der Verein daheim gegen den Meister FC Bayern München. Eigentlich ist das die schönste Partie des Jahres. Aber was wichtig sein sollte, läuft weiter Gefahr, vor lauter Streitigkeiten unterzugehen.