Bert Schulz lauscht zwei Hoffnungsträgern der SPD
: Ausgerechnet von der CSU lernen?

Es ist ja völlig unklar, ob die SPD ihren jüngsten historischen Tiefpunkt schon überwunden hat. Geht es nach der Partei, soll das spätestens am Sonntag so sein, wenn voraussichtlich Andrea Nahles zur ersten Bundesvorsitzenden seit 154 Jahren gewählt wird. Derweil läuft die Debatte, wie die SPD es schafft, sich zu erneuern und gleichzeitig zu regieren. Juso-Chef Kevin Kühnert fand das lange unmöglich, der Regierende Bürgermeister Michael Müller argumentierte in dieser Frage meist eher machtorientiert.

Am Dienstag sprachen die beiden SPDler aus Tempelhof-Schöneberg, die sich schon mal beim Brötchenholen treffen, vor 400 Genossen über die Frage: Quo vadis, SPD? Und es zeigt sich: Der eine macht ein bisschen auf links, der andere auf ein bisschen linker, aber richtig links sind sie beide nicht.

Der 28-jährige Kühnert und der fast doppelt so alte Müller sind in den letzten Monaten zu Hoffnungsträgern ihrer Partei geworden. Kühnert, weil er klug und engagiert gegen die Groko agitiert und verloren hat; Müller, weil er seit seinem Vorstoß zum Solidarischen Grundeinkommen versucht, die leidige Hartz-IV-Debatte zugunsten der Partei zu wenden. Die Arbeitsmarktreformen hätten ein „Grundmisstrauen“ gegen die SPD in der Bevölkerung etabliert, betont Müller; „nach der vierten verlorenen Wahl“ müsse die Partei das endlich einsehen.

Kühnert freilich geht Müllers Vorstoß, Langzeitarbeitslose gegen Mindestlohn sinnvolle Arbeiten verrichten zu lassen, nicht weit genug. Lediglich 800.000 der rund sechs Millionen Hartz-IV-Empfänger seien langzeitarbeitslos, die übrigen erwerbsunfähig, Kinder oder Leute mit einem schlecht bezahlten Job. „Die Debatte muss größer werden“, so Kühnert. Er schlägt unter anderem eine Kindergrundsicherung vor. Müller sagt dazu – nichts.

Wenig Gegenwehr leistet Berlins Regierender gegen Kühnerts Appell, jetzt schon „vertrauensvolle Kanäle“ in die Linkspartei aufzubauen, um vor dem nächsten Wahlkampf eine zweite Machtoption zu erarbeiten: Rot-Rot-Grün. Es sei eine „Scheißausgangsposition“, wenn die SPD immer nur mit der CDU koalieren und deswegen wenige eigene Inhalte umsetzen könne. Müller, der vor allem wegen Sahra Wagenknecht die Linke im Bund als nicht regierungstauglich sieht, sagt dazu, dass die SPD „Optionen“ brauche. Schließlich sei es ja genauso „gruselig“, was von Jens Spahn oder Horst Seehofer gesagt werde; trotzdem regiere die SPD mit der Union.

Bis zum Herbst 2019 soll der Erneuerungsprozess der SPD abgeschlossen sein. Vielleicht könne man ja – ausgerechnet! – von der CSU lernen, schlägt Kühnert vor. Die bringe „ihre Themen viel besser rüber“, weil sie eine klarere Sprache spreche.